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Die Welt der Nicknameplates

Der Troll Ferðamaður besuchte nach einer ausgiebigen Reise in ferne Länder seinen Freund auf dessen Stein oberhalb von Hnifsdalur.

Jarðnafn : Velkomin um borð, Ferðamaður!Ich bin gespannt, welche Neuigkeiten du diesmal mitbringst.“

Ferðamaður: „Die Leute reden wieder miteinander.“

Jarðnafn: „Erstens ist dies keine Neuigkeit, da diese ständig plappern, dem Vernehmen nach können diese noch nicht einmal in einem Lesesaal die Klappe halten, oder im Zug, obschon ihnen gegenüber oder daneben niemand sitzt, und Zweitens stelle ich bei meinen Besuchen dort unten in der Stadt fest, dass die Leute nunmehr in aller Öffentlichkeit laute und nicht enden wollende Selbstgespräche führen.“

Ferðamaður: „Da hast du wohl den kleinen Knopf im Ohr übersehen, mein Guddster.“

Jarðnafn: „Upps, seit wann produziert die Firma Steiff auch Menschen, noch dazu ohne Fell und mit  automatisiertem Bewegungsapparat?“

Ferðamaður: „Dumpfbacke, das sind Menschen, die mit einem Gesprächspartner via einer App reden.“

Jarðnafn: „App? Eine Abkürzung für Applaus?“

Ferðamaður: „Nein, eine Anwendung auf einem Smartphone, welche für Unterhaltungen zugelassener Teilnehmer angeboten wird. Es wird damit nicht nur um  Bestätigungen geheischt, sondern ist auch ein Eldorado für geistigen Sondermüll, da jeder sich hinter Nicknameplates verstecken kann.“

Jarðnafn: „Du meinst Pseudonym.“

Ferðamaður: „Um Himmelswillen, nein! Dies setzte Eigenleistungen künstlerischer Werke voraus. Davon kann nicht die Rede sein, lese einer deren Sermon. “

Jarðnafn: „Also ein Traduktionym?“

Ferðamaður: „Auch nicht. Oder ist dir ein Land bekannt, in welchem es den Namen Ruhig Blut, Dr. McSchreck, MySharon, Worst Case, etc. geben könnte?

Jarðnafn: „Solche Länder gibt es noch nicht. Was ist eigentlich ein Traduktionym?“

Ferðamaður: „Ein Beispiel. Irgendeine Dumpfbacke soll unsere Unterhaltungen heimlich aufgezeichnet und diese veröffentlicht haben.“

Jarðnafn: „Ist mir bekannt. Allerdings murkste er herum, indem er unsere Gespräche in Fremdsprachen übersetzten ließ, unsere Namen aber nicht.“

Ferðamaður: „Nun, bekanntlich gibt es Nationen, welche die Relevanz einer Person aus dessen Rolle herleiten, im Gegensatz zu Nationen, welche die Relevanz einer Person aus dessen Persönlichkeit ableiten.“

Jarðnafn: „Ist mir geläufig. Du meinst, damit wurde er wenigstens unserer Auffassung gerecht, dass Rollen nur  zusätzliches, nichtssagendes und daher unnötiges Beiwerk? Hätte er auch unsere Namen übersetzt, wäre offenkundig geworden, dass unsere Namen nur Rollennamen sind …“

Ferðamaður: „… was sicherlich einen Aufschrei bei den betreffenden Rollen hervorgerufen hätte …“

Jarðnafn: „Wenn nicht sogar einen Shitstorm, womit seit dem Zeitalter der digitalen Gesprächsforen unweigerlich zu rechnen wäre. Hier hingegen wird Rollen keine Beachtung beigemessen, so dass kein Aufschrei zu erwarten war.“

Ferðamaður: „Falls er nicht gleich konvertiert und zu den Schwachsinnigen gezählt werde, wie der Autor Guðbergur Bergsson bezüglich einer anderen Fähigkeit trefflich bemerkte.“

Jarðnafn: „Also ein Geonym.“

Ferðamaður: „Kennst du Orte, welche nurmalso, isnedwohr, ichsemichse, etc. heißen?“

Jarðnafn: „Ich bin schon weit gereist und ich kann sagen, dass es diese Ortsnamen auf diesem Planeten nicht gibt. Also gut. Es handelt sich also dabei um die Verwendung von Nicknameplates. Gibt es eine Definition zu diesem Wort?“

Ferðamaður: „Nun, nach jahrelanger Durchsicht zahlloser Kommentierungen in verschiedenen Zeitschriften – ein neuer Service der Zeitschriften bei Internet-Auftritten -, wäre festzustellen, dass es sich bei den Nicknameplates zum Einen nicht um sogenannte Spitznamen oder ironische Namen handle. Bei der Lektüre der zahllosen Einlassungen wird allerdings verständlich, aus welchem Grund diese nicht unter einem Klarnamen in die Öffentlichkeit gepustet werden.“

Jarðnafn: „Du meinst wohl gepostet“

Ferðamaður: „Keineswegs, denn dies setzte eine Nachricht voraus, welche einem zugestellt wäre. Meine Erfahrung war dahingehend, dass Repliken in den seltensten Fällen eine Nachricht enthielten, oder dass auf ein Argument wenigstens auch nur annähernd eingegangen worden wäre. In der Regel handelte es sich dabei um sogenannte Wichtigtuer, die eines Tages bei sich feststellten, dass sie für die Allgemeinheit nichts Brauchbares beizutragen haben und nun die Kommentarmöglichkeiten der Gazetten dazu nutzen, ihren dabei entstandenen Frust abzubauen, indem sie irgendeinen zusammenhanglosen Sermon absondern.“

Jarðnafn: „Ich wüsste da einen Dichter, der dieses Phänomen kürzer zusammengefasst hatte.“

Ferðamaður: „Lass hören.“

Jarðnafn stellte sich in Positur und rezitierte:

Im Biergarten

Wörterkolonnen betäuben,
vom Klirren der Gläser
gehetzt durch die Lampions,
die Nabelohren der Nacht.

(Autor: Werner Friebel)