Schlagwort-Archive: links

Einföldun – Vom Bedürfnis nach beschönigender Ausdrucksweise

Tjáningarfrelsi: „Wohin des Weges?“

Ónytjungur: „Zu einem fernen Stamm, um Spielsachen unter dessen Kindern zu verschenken.“

Tjáningarfrelsi: „Hampelmänner?“

Ónytjungur: „Bei Zusammenbau und anschließender Nutzung wird nachvollziehbar, aus welchem Grund der Fisch stets vom Kopf her zu stinken beginnt, also bei jener antreibenden Kraft, welche die Richtung des Körpers vorgibt.“

Tjáningarfrelsi: „Dies sind keine Fische.“

Ónytjungur: „So ist es. Aber in Demokratien ist das Staatsvolk die antreibende Kraft, also der Kopf, welcher die Richtung des Staatskörpers vorgibt.“

Tjáningarfrelsi: „Und?“

Ónytjungur: „Es demnach so unsinnig wie erfolglos wäre, behaupte einer später, er wäre für den Gestank nicht verantwortlich.“

Tjáningarfrelsi: „Früh übe sich, wer ein Meister werden will. Und weswegen wähltest du zu diesem Zweck Gestalten aus der Vergangenheit?“

Ónytjungur: „Sie sind bestens bekannt und daher geeignet, die Kinder des fernen Stammes an die signifikanten Merkmale eines Nazis zu erinnern. Ziehen sie dann an der Schnur, wird deutlich, wer diese aus der anonymen Masse emporhebt.“

Tjáningarfrelsi: „Und was sind Deiner Auffassung nach die signifikanten Merkmale eines Nazis, damit ich beurteilen kann, ob Du zu Generalisierung befähigt, oder dich nur der Simplifizierung schuldig gemacht?“

Ónytjungur: „Signifikantes Merkmal von Nazis ist deren Eigenschaft, innerhalb eines Nationalstaates einen via Willens- und Absichtserklärung definierten imaginären Stamm zu fördern, zu billigen, oder hinzunehmen, zum Zwecke, die vorhandene Gleichheit aller Staatsbürger aufzuheben, da den nicht zum Stamm  gehörenden Staatsbürgern die Rechte des Stammes nicht zustünden, so dass Maßnahmen zu deren Entfernung aus dem entstehenden Stammesgebiet zu ergreifen oder wenigstens hinzunehmen sind, weil für jedermann nachvollziehbar, dass diese Maßnahmen erst die Grundlage erzeuge, und damit erzwungen notwendig sei, um die bestehende Nation erfolgreich auf den definierten Stamm  reduzieren zu können, da nur ein Stamm einen nationalen Sozialstaat bilde.“

Tjáningarfrelsi: „Ich lese, dass zum Zwecke einer angemessenen Abbildung bzw. Abgrenzung dafür eigens neue Eigenschaftswörter erzeugt wurden : rechtslastig, rechts, rechtsextrem, rechtsradikal, rechts …“

Ónytjungur: „Diese Methode ist ebenso intelligent wie die Erzeugung neuer Eigenschaftswörter der Form obenextrem, obenradikal, untenextrem, untenradikal, hintenextrem, hintenradikal, vorneextrem, vorneradikal, … „

Tjáningarfrelsi:  „Es soll Nebel zerstreuen, studiere einer die Erscheinungen der Sprache an primitiven Arten ihrer Verwendung?“

Ónytjungur: „Selbstzuweisungen wie germanisch, identitär, biodeutsch, autochthon, etc. heben per-se die Gleichheit der Staatsbürger auf, und kreieren einen solchen Stamm.  Wo diese signifikanten Merkmale vorliegen, ist bereits die Zuweisung ‚rechts‘ ebenso irreführend wie verharmlosend.“

Tjáningarfrelsi:  „Verhält es sich nicht so, dass unbestimmte, verschwommene Wortinhalte es jedem Redner ermöglichen, einen Begriff unterschiedlich zu gebrauchen?“

Ónytjungur: „Ein übergeordneter Gattungsbegriff unterscheidet sich stets signifikant von einer Vereinfachung.“

Tjáningarfrelsi: „Handelt es sich bei den Wörtern rechts und links nicht um Umstandswörter des Ortes, und verhält es sich nicht so, dass diese Wörter einen Bezugspunkt erfordern, und dieser Bezugspunkt – so er sich nicht jenseits des Universums befinde – erzwungenermaßen irgendein Punkt im Raum sein müsse? Hinzu kommt, dass diese Umstandswörter des Ortes im Sprachgebrauch nicht einheitlich angewendet werden, denn die Mitteilung, die Zuckerdose liege links vom Kühlschrank, erfüllt stets den damit beabsichtigten Zweck, wird doch die Zuckerdose daraufhin gefunden, hingegen der Hinweis, dass der linke Sitznachbar ein Taschendieb sei, nur dazu führe, dass der Angesprochene sich vergeblich nach rechts absichere, es sei denn, der Hinweisgeber habe mit dem Umstandswort des Ortes den Blickwinkel des Angesprochenen verwendet, und nicht den eigenen.“

Ónytjungur: „Die Zuweisungen rechts und links erfuhren bekanntlich innerhalb der vergangenen  200 Jahre einen Bedeutungswandel. Am Ausgangspunkt als Etikettierung der Eigenschaft monarchistisch (rechts) und dessen Gegensatz republikanisch (links), dann im Zuge der Industrialisierung via Bedeutungswandel auf die Eigenschaft arbeitgeberorientiert (rechts) und dessen Gegensatz arbeitnehmerorientiert (links) angewandt, findet diese Etikettierung bei jenem fernen Stamm nun Verwendung für die Eigenschaft nationalsozialistisch (rechts) und dessen Gegensatz nicht nationalsozialistisch, womit jede Person, welche nicht nationalsozialistisch ist, nur ‚links‘ sein kann.“

Tjáningarfrelsi: „Führt dies nicht dazu, dass jeder, welcher sich dem Konzept der Nazis widersetzt, sich über Nacht plötzlich – ei verbibbsch – damit konfrontiert sieht, ‚links‘ zu sein?“

Ónytjungur: „Dieser ‚Bedeutungswandel, welcher – da abrupt erfolgt und weder auf Bedeutungsverengung noch Bedeutungserweiterung beruhend – gar kein Bedeutungswandel sein kann, ermöglicht  letztlich  auch das Phänomen, dass das ein und dasselbe Konzept einmal als Riesenkänguruh bezeichnet werden kann, und im gleichen Atemzug – davon völlig unberührt – als Springmaus.“

Tjáningarfrelsi: „Das Konzept eines Riesenkänguruhs unterscheidet sich bekanntlich vom Konzept einer Springmaus.“

Ónytjungur: „Für diesen Vergleich wurde erst gar nicht das gemeinsame Konzept herangezogen, um nicht bestätigen zu müssen, dass es sich dabei um ein und dasselbe Konzept handle.“

Tjáningarfrelsi: „Sie behaupten, nachdem ein und dasselbe Konzept zwar einmal angewendet wurde, wäre darüber noch lange nicht ausgesagt, dass das Konzept nicht zu etwas anderem führe.“

Ónytjungur: „Wurde das Ende nicht bereits in den Anfang gesteckt?“

Tjáningarfrelsi: „Dann dürfte es sich bei jenem fernen Stamm um einen solchen handeln, der vom kollektiven Bedürfnis nach beschönigender Ausdrucksweise befallen. Handelt es sich doch bei derartigem Gebrauch weder um eine Spezialisierung, also einer Bedeutungsverengung, noch um eine Bedeutungserweiterung, demnach auch nicht um eine Generalisierung.“

Ónytjungur: „Könnte auch daran liegen, dass bei jenem Stamm den Schülern von den Lehrern nicht auferlegt wurde, jede Woche zuhause ein anderes Buch zu lesen, und daran anschließend sich im Unterricht über das Gelesene auszutauschen, wie an der Schule dort unten im Ort, da darüber die Fähigkeit hervorgerufen,  greina (charakterisieren, abgrenzen), alhæfa (verallgemeinern) und einfalda (vereinfachen) richtig zuordnen zu können.“

Tjáningarfrelsi: „Und durch das Verb falda auch noch dazu befähigt werden, die Symptome ‚herumdrucksen‘ und ’nicht recht mit der Sprache herauswollen‘ erkennen zu können.“

Ónytjungur: “ Ist dir bei dem Verb einfalda  etwas aufgefallen?“

Tjáningarfrelsi: „Es wurde bei dem fernen Stamm durch das Verb vereinfachen eingedeutscht.“

Ónytjungur: „Und?“

Tjáningarfrelsi: „Erinnerte vermutlich doch zu sehr an die Eigenschaft einfältig. Singst du mit mir noch ein Lied zum Abschied?“

Ónytjungur und Tjáningarfrelsi fassten sich bei der Hand, und tanzten einen Reigen :

(49) „Voðir mínar
gaf eg velli að
tveim trémönnum.
Rekkar það þóttust
er þeir rift höfðu:
Neis er nökkvinn halur.“ 1)

(49) „Mein Tuch
gab ich auf dem Feld
zwei Männern aus Holz.
Helden wähnen
ihre Kleider zu sein :
nackt sind sie schüchtern.“

1) „Hávámál og Völuspa“, Gísli Sigurðsson, Svart á Hvítu, Reykjavik 1986