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Die Dunning-Kruger-Effekt-Pandemie

Ónytjungur: „Na, ist deine Arbeit endlich erledigt?“

Jólasveinn: „Alles im grünen Bereich. Dankenswerterweise gibt es diesen Brauch nur hierzulande und nicht anderenorts.“

Ónytjungur: „Wieso? Hast du alle Kartoffeln bereits hier verbraucht?“

Jólasveinn: „Keineswegs, aber anderenorts hätte eine Kartoffel im Schuh nicht gereicht, ich hätte einen ganzen Sack Kartoffeln darin deponieren müssen. Das wäre mir zu beschwerlich gewesen bei meinem Rücken.“

Ónytjungur: „Nun ja, vermutlich wären die Schuhe herfür auch viel zu klein gewesen. Aber aus welchem Grund gleich einen Sack voll Kartoffeln? Hier genügt doch auch bereits eine einzige Kartoffel.“

Jólasveinn: „Wie du weißt, legen die Leute hier größten Wert auf eine präzise Sprache. schätzen gute Literatur über alles, erhalten sogar Philosophieunterricht an Grundschulen, sind sehr gebildet und haben daher ihre Politiker gut erzogen …“

Ónytjungur: „… und sollten die Politiker dennoch einmal aus dem Ruder laufen, werden sie solange mit dem Lärm von Topfdeckeln und Pfannen malträtiert, bis diese freiwillig die Flucht ergreifen, alles bekannt …“

Jólasveinn: „… und Betrüger schleunigst das Land verlassen …“

Ónytjungur: „… auch das ist bekannt, sie gehen freiwillig in die Verbannung …“

Jólasveinn: „… und für den Fall, wie wollten sich wieder heimlich ins Land schleichen, werden deren Konterfeis in die Männer-Pissoirs geklebt, damit sie ein jeder sofort erkenne. Allerdings sind solche guten Sitten nicht in allen Ländern üblich, dort liegt es daher sehr im Argen.“

Ónytjungur: „Ich staune und hoffe, du schilderst es mir auf eine Art und Weise, so dass auch ich es verstehen könnte.“

Jólasveinn: „Was würdest du zum Beispiel von einem Wissenschaftler halten, der dir allen Ernstes vorschlägt, dein Knie operieren zu wollen, da dies dich davor schützen würde, dass du Windpocken bekommst und damit andere ansteckst, später dir erklärt, dies würde allerdings nur für einen begrenzten Zeitraum Abhilfe schaffen, um dann noch nachzuschieben, diese würde allerdings auch nicht verhindern, dass du andere mit Windpocken anstecken könntest?“

Ónytjungur: „Dass es sich dabei wohl um einen Versicherungsvertreter handeln müsse, denn die versprechen einem auch gerne das Blaue vom Himmel vor Vertragsabschluss.“

Jólasveinn: „Was würdest du ferner von Politikern halten, denen in dem Moment, in welchem das Staatsvolk dringend der Hilfe bedarf, ihre Machtposition dahingehend nutzen, durch geschickte Geschäfte Millionenbeträge der stattlichen Hilfe sich selbst zuzuschustern?“

Ónytjungur: „Gibt es dort keine Strafgesetze?“

Jólasveinn: „Was würdest du von Behörden halten, welche Jahre zu der Feststellung benötigen, ob ein Produkt, welches vor Erkrankung schützen soll, überhaupt schützt, oder es sich dabei nicht vielmehr um ein wertloses Produkt handelt, welches zwar teuer eingekauft, allerdings nur vorgibt, dass es schützen würde, dies jedoch wissentlich nicht tut?“

Ónytjungur: „Gibt es dort auch kein bürgerliches Gesetzbuch, welches den Geschädigten ermögliche, umgehend Schadensersatzforderungen einzutreiben?“

Jólasveinn: „Du weißt ja, es gibt dort kein Recht, kein Gesetz, nur Schriftsätze. Zu guter Letzt, was würdest du von Medien halten, welche anstelle investigativer Recherche es lieber vorziehen, tagein, tagaus mit gefälligen Fragen einem ausgewählten Kreis von Selbstdarstellern eine Bühne zu bereiten?“

Ónytjungur: „Darf ich raten? Die amerikanische Schwatzbude namens ‚Talk-Show’“?“

Jólasveinn: „Ich frage dich allen Ernstes: Würde bei all jenen eine einzige Kartoffel reichen?“

Ónytjungur: „Nun, das Staatsvolk wird diesen sicherlich wie hier üblich sehr schnell zeigen, wo der Bartl seinen Most holt.““

Jólasveinn: „Du vergisst, sie entbehren dort der hier üblichen Erziehung und Bildung, welche zu Selbstverantwortung und Freiheit führt.“

Ónytjungur: „Möglicherweise ist die Ursache in der Staatsform zu finden.“

Jólasveinn: „Ob Diktatur, Monarchie, mittelbarer Mehrheitsentscheid, sie unterscheiden sich darin keinen Deut. Auffallend ist, dass sich allesamt vor Jahrhunderten einem Schichtenmodell unterwarfen, an dessen Spitze ein Führer thronte, der par ordre du mufti befahl – sei dieser Führer nun klerikal, weltlich oder gleich beides -, darunter lag eine privilegierte Schicht aus Speichelleckern oder Aufmüpfigen, allgemein als Aristokratie bezeichnet, als Bestherrschaft angesehen, schließlich die abhängigen Kreaturen der letzten Schicht, die jeglichen Rechts beraubt.“

Ónytjungur: „Was kam deiner Ansicht nach dabei heraus?“

Jólasveinn: „Eine Melange aus sechs Typen. Da wäre zum Beispiel der gehorsame Typ.“

Ónytjungur: „Du meinst jenen, der zu allem Ja und Amen sagt, ohne dass ihm daraus ein Zweifel erwachse?“

Jólasveinn: „Es gäbe da auch noch den duldenden Typ.“

Ónytjungur: „Er sagt zwar zu allem Ja und Amen, obschon er still darunter leidet?“

Jólasveinn: „Nun, es gibt auch den ablehnenden Typ.“

Ónytjungur: „Er widerspricht, lässt aber Unbeteiligte unbehelligt?“

Jólasveinn: „Ganz im Gegensatz zum beschuldigenden Typ.“

Ónytjungur: „Der zwar nicht widerspricht, allerdings Unbeteiligte beschuldigt.“

Jólasveinn: „Das Schlusslicht bildet der gehirnlose Typ.“

Ónytjungur: „Aha, er weigert sich also und beschuldigt Unbeteiligte.“

Jólasveinn: „Den autarken Typ, der dort unten im Tal die Mehrzahl stellt, findest du dort nur noch selten, wegkonditioniert durch Jahrhunderte währende bittere Erfahrung am eigenen Körper.“

Ónytjungur: „Du zeichnest ein düsteres Bild, mein Freund.“

Jólasveinn: „Nun, es wurden ihnen Wege aufgezeigt, um sich darin zurechtzufinden.““

Ónytjungur: „Als da wären?“

Jólasveinn: „Zwei amerikanische Wissenschaftler, die Sozialpsychologen David Dunning und Justin Kruger, beruhigten im Jahr 1999 die händeringend nach einem Ausweg suchende wissenschaftsbasierte Informationsgesellschaft im ‚Journal of Personality and Social Psychology‘ mit einem Artikel, demzufolge jeder der gegnerischen Seite zurecht vorwerfen könne, diese sei nicht nur inkompetent, sondern auch aus Dunning-Kruger-Gründen außerstande, dies  einzusehen.“

Ónytjungur: „Verhält es sich nicht vielmehr so, dass selbst das zurückhaltende Ergebnis aus der Originalveröffentlichung mittlerweile widerlegt wurde? Das Experiment sei zwar reproduzierbar und der Effekt trete tatsächlich auf, er ließe sich allerdings auch dann hervorrufen, falls man das Experiment weglässt und die Ergebnisgrafik aus Zufallszahlen erzeuge, denn in Wirklichkeit kann niemand die eigene Kompetenz korrekt einschätzen.“

Jólasveinn: „Jæja, gamli minn. Das erinnert mich an jenes Ereignis, als ein Mensch in seiner Badewanne saß und das Telefon klingelte. Der Mann stand also auf, eilte zum Telefon, nahm den Hörer ab und hörte die Stimme eines Mannes.“

Ónytjungur: „Und weiter?“

Jólasveinn: „Die Stimme am Telefon teilte mit, er führe gerade eine Meinungsumfrage durch und seine erste Frage an den Angerufenen im tropfenden Bademantel wäre, ob dieser wegen einer Meinungsumfrage aus seiner Badewanne steigen würde.“

Ónytjungur: „Ist es nicht seltsam, dass je mehr einer das Ursache-Wirkungs-Prinzip abstreitet, also die Kausalität, umso mehr er in Korrelationen sein Heil sucht?“

Jólasveinn: „Wen wundert es dann noch, dass sie sich darüber laufend in Widersprüche verstricken? Magst du ein Lied mit mir singen?“

Ónytjungur fasste Jólasveinn bei der Hand und beide tanzten einen Reigen auf dem Stein:

„Seitdem man begonnen hat,
die einfachsten Behauptungen
zu beweisen, erweisen sich viele
von ihnen als falsch.

Manche Menschen würden eher
sterben als nachdenken.
Und sie tun es auch.“ 1)

1) Bertrand Russell


Requiem der wissenschaftsbasierten Informationsgesellschaft

Ónytjungur kam nach einer langen beschwerlichen Reise zurück zu seinem alten Freund Aldavinur.

Aldavinur: „Willkommen, alter Freund. Was weißt du neues zu berichten aus der Welt der Wesen?“

Ónytjungur: „Wie du weißt, gab es in der Vergangenheit das Gegensatzpaar Betriebsblindheit und Querdenker.“

Aldavinur: „Ist mir geläufig.“

Ónytjungur: „In der wissenschaftsbasierten Informationsgesellschaft wurden diese eindeutigen Begriffe nun in eine Art Dreisatz umgewandelt.“

Aldavinur: „Dreisatz?“

Ónytjungur: „Ja, was vordem ein Breitmaulfrosch, wird nun  Querdenker genannt …“

Aldavinur: „… aber innerhalb von Anführungszeichen …“

Ónytjungur: „… mag sein, jedoch wer achtet heutzutage noch auf das Kleingedruckte, der gute Ruf ist damit endgültig ruiniert, und was einstmals Betriebsblindheit, ist nun aufgeklärter Mensch genannt.“

Aldavinur: „Will sagen, der ehemals Querdenker genannte Typ ist ausgestorben?“

Ónytjungur: „Nicht vollständig, es soll noch solche geben, welche zu systematischer und umfassender Untersuchung fähig. Dir dürfte ja der Unterschied zwischen Generalist und Spezialist geläufig sein.“

Aldavinur: „Nun, der Spezialist dringt in die Tiefe, weiß daher von immer weniger immer mehr, bis er von nichts alles weiß, hingegen der Überflieger von immer mehr immer weniger weiß, bis er von allem nichts weiß.“

Ónytjungur: „Allerdings ist sich die wissenschaftsbasierte Informationsgesellschaft nunmehr darin einig, ihre eigene Totenmesse abzuhalten.“

Aldavinur: „Sie gedenkt ihrer selbst in einer Missa pro defunctis, einer Messe für die Verstorbenen? Aus welchem Grund, sie lebt doch noch?“

Ónytjungur: „Wie du weißt, gibt es einen Unterschied zwischen der scheinbaren Welt und der realen Welt.“

Aldavinur: „Wie meinen?“

Ónytjungur: „Nun, wenn ich zum Beispiel eine Zigarette schmauche, dann ist die Welt für mich persönlich in Ordnung, mein Körper hingegen sieht das nicht so.“

Aldavinur: „Was willst du mir damit sagen?“

Ónytjungur: „Dass bereits dieses Beispiel zeigt, dass es eine scheinbare Welt und eine reale Welt gibt. Die Frage ist nur, in welcher sich einer aufhalten möchte.“

Aldavinur: „Schön und gut, und in welcher möchte sich die wissenschaftsbasierte Informationsgesellschaft aufhalten?“

Ónytjungur: „In der scheinbaren Welt.“

Aldavinur: „Es scheint also der wissenschaftsbasierten Informationsgesellschaft, dass sie verstorben sei.“

Ónytjungur: „Das genaue Gegenteil ist der Fall, sie sieht sich in ihrer Blütezeit. Demokratie und Wissenschaft hätte sie emporgehoben aus den Niederungen primitiver Völker und ihre Welt mit Wohlstand und Freiheit angefüllt.“

Aldavinur: „Ist dem nicht so?“

Ónytjungur: „Das kommt auf den Blickwinkel an. In der realen Welt wäre einer sofort zu den Schwachsinnigen gezählt werden, würde er solchen groben Unfug behaupten, in der scheinbaren Welt hingegen erfreut er sich dem zustimmenden Nicken abhängiger Kreaturen, was er irrtümlich als Bestätigung auffasst, statt Ausdruck vorhandener Betriebsblindheit.“

Aldavinur: „Soso.“

Ónytjungur: „Den Gazetten – vormals Quelle faktenbasierter Informationen, auf professioneller Recherche beruhend -, war aufgefallen, dass die Leser am liebsten jenen Gockel hören, der am lautesten kräht …“

Aldavinur: „… was er gewöhnlich auf einem Misthaufen tut …“

Ónytjungur: „… und da die Masse durch faktenbasierte Information zu einer mentalen Leistung aufgefordert wird, welche unter dem Begriff Differenzierung zusammengefasst, daher sehr schnell die Lust verliere,  abwinke, und zu mehr zugänglicheren Themen flüchte …“

Aldavinur: „…  die Sensationslust ist dem aufgeklärten Menschen heilig …“

Ónytjungur: „… daher sich die Gazetten genötigt sahen, die nächste Sensation mit so genannten Schlagzeilen rauszuhauen …“

Aldavinur: „… nach dem Credo ‚Mutter zerstückelte ihre Kindern, BILD sprach zuerst mit den Frikadellen‘, bestens bekannt …“

Ónytjungur: „…  statt die Breitmaulfrösche es unter sich aushandeln zu lassen …“

Aldavinur: „… was aber als Unterdrückung von Meinungsfreiheit aufzufassen wäre, wie du weißt …“

Ónytjungur: … was allerdings eine Behauptung, die grober Unfug ist, Es gibt zwar das Recht auf freie Meinungsäußerung, von einer Pflicht, auf diese auch einzugehen, ist mir nichts bekannt, und da die Informatik den Breitmaulfröschen hierzu vor etlichen Jahren extra Foren wie Twitter und Instagram geschaffen hatte, auf denen sie sich ihren geistigen Müll gegenseitig um die Ohren hauen können  …“

Aldavinur: „… wohl eher um die Augen …“

Ónytjungur: „… demnach Foren, welche unter Missachtung der Definition des Adjektivs sozial, was bekanntlich eine gemeinnützige, hilfsbereite und barmherzige Handlung bezeichne, in einer kaum noch zu überbietenden Hybris ausgerechnet Soziale Netzwerke genannt wurden, so dass keinem ein Schaden daraus entstehe, folglich bräuchten die Gazetten gar nicht mehr den Sermon der Breitmaulfrösche zu verbreiten, welcher geboren aus Aufregung und Gegenaufregung.“

Aldavinur: „Womit aber die Behauptung nicht erklärt, die wissenschaftsbasierte Informationsgesellschaft sei sich darin einig, ihre eigene Totenmesse abzuhalten, geschweige denn, was der Unterschied sei zwischen scheinbarer Welt und realer Welt.

Ónytjungur: „Gemach, gemach. Verhält es sich nicht so, dass unabhängig vom Herrschaftssystem, nenne sich dieses nun Monarchie, Diktatur oder Demokratie – wobei unter den Wort Demokratie die Aufforderung zu verstehen ist, es habe sich die Nation dem Mehrheitswillen zu unterwerfen, unabhängig davon, von welchem Wahn die Mehrheit gerade heimgesucht werde -, Menschen zu Abertausenden ermordet werden?     

Aldavinur: „Es ist nicht zu leugnen, dass bei einem Vergleich des Verhältnisses der Summe an Getöteten, die im Namen des Guten und im Namen des Bösen ihr Leben verloren, mehr Sorge angebracht wäre wegen jener, die nicht als Verbrecher angesehen.“

Ónytjungur: „Es wird auch kolportiert, der Krieg sei die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln; demnach der Kulminationspunkt im Übergang von der Dummheit zur Aufregung.“

Aldavinur: „Ist es doch die erstrebenswerte Aussicht selbst, welche die Einsicht verhindert.“

Ónytjungur: „Weiterhin, trifft es zu, dass im Verhältnis zur Gesamtheit der Weltbevölkerung  die überwiegende Mehrheit um das Existenzminimum zu kämpfen hat, während einige Leute, welchen unverständlicherweise auch noch Achtung widerfährt, nicht mehr wissen wohin mit all dem Vermögen, welches sich diese angehäuft haben, sich in das Weltall mit Raketen schießen, sich Jachten zulegen, welche mehr einem Kreuzfahrtschiff gleichen als einer Jacht?“  

Aldavinur: „Sozialneid, willst du hier dem Kommunismus oder Sozialismus die Stange halten?“

Ónytjungur: „Keineswegs. Ist es doch gerade der Ismus, der eine an sich vernünftige Idee ins Unvernünftige überführt. Neige ich zu Glaubenssystemen, handelt es sich nicht dabei um eine Landenge, welche zu beiden Seiten von Wasser begrenzt? Vielmehr wäre eine Kleptokratie zu konstatieren, welche von einer Ochlokratie als notwendiges Übel geduldet. Wären diese Ignoranten im Weltall geblieben, es wäre kein Schaden für die Menschheit entstanden.“

Aldavinur: „Zugegeben, die Analogie ist frappierend, allerdings handelt es sich bei einer Landenge um einen Isthmus und nicht um einen Ismus. In aller Regel handelt es sich bei einem Ismus um eine Idee, einen realen komplexen Sachverhalt durch Simplifizierung dahingehend zu nutzen, um sich selbst via Indoktrination in die Position des Herrschers zu manövrieren.“

Ónytjungur: „Die Welt, das wirksame Geschenk, bietet auch die Möglichkeit, von Menschen vorübergehend als Irrenhaus genutzt zu werden. Um irgendeiner Sache willen.“

Aldavinur: „Schon gut, schon gut. Ich weiß Bescheid. So verwies zum Beispiel die generalisierte Eigenschaft Humanismus über die „Bill of Rights“ in die Reservate, über die Demokratie zur Guillotine, und da nicht ausreichend genug, übers Credo der Atombombe zum Clash of Civilisations.

Ónytjungur: „Dies geschah und geschieht im Augenblick, obschon im Gegensatz zu früher, als es noch keine Autos, Flugzeuge, Zeitungen, Radios, TV-Geräte und Internet gab, so dass Kinder betteln mussten ‚Papa, Papa, nimm mich mit ins Nachbardorf, ich will die Welt sehen‘, heutzutage die wissenschaftsbasierte Informationsgesellschaft bis zum Abwinken mit einer Informationsüberflutung überschwemmt wird, diese sich desinteressiert heilsuchend in Shows und sonstiger geistiger Unterforderung flüchtet.“

Aldavinur: „Nun, der durch Mehrheit bestimmte Zustand einer Republik lässt sich an jenem Geisteszustand messen, der durch tägliche Einschaltquoten dokumentiert. So wird zum Beispiel unter dem Wort Privatfernsehen ein Zeitgeist verstanden, in welchem heuchlerische Zyniker erbärmlichen Charakteren eingebildete Naivlinge zu präsentieren haben, da zum Einen ein ungeheurer Bedarf danach vorhanden, und zum Anderen sonst die Rechte der Aufklärung auf freie Meinungsäußerung, auf Pressefreiheit, und auf bedarfsgerechte Grundversorgung verletzt werden würden.“

Ónytjungur: „Der das Loch in den Schiffsbauch bohrte, verlangt nach der billigsten Schwimmweste.“

Aldavinur: „In einer Welt der Konsequenzen wähnt – in Hoffnung auf Inkonsequenz – der Mensch vorausschauend eine Welt der unbegrenzten Möglichkeiten, rückblickend eine Welt des reinen Zufalls, und nennt diese seine Sichtweise – Evolution.“

Ónytjungur: „Konnte ich dir deutlich machen, wie ich zu der Behauptung komme, die wissenschaftsbasierte Informationsgesellschaft sei sich darin einig, ihre eigene Totenmesse abzuhalten und was der Unterschied sei zwischen scheinbarer Welt und realer Welt?

Aldavinur: „Nun, es erinnert mich an jene Episode, welche über einen Würfel erzählt wird. Ein Tröll starrte ungläubig auf den silbernen, glänzenden Widerstand in seinen Augen, veränderte seinen Standort, erkannte die quadratische, räumliche schwarze Struktur, bewegte sich abermals, bemerkte verblüfft den auftauchenden weißen Kreis im Schnittpunkt der Diagonalen, sinnierte über den nun silbernen oder doch schwarzen Gegenstand mit seinem nun existenten oder doch nicht existenten runden Fleck in der Mitte, reiste von der Umgebung zur Sonne, schlenderte dem am Horizont verschwindenden Lichtstrahl entlang, von Quanten zu Quanten hüpfend, prallte auf die offensichtlich gegenständliche Oberfläche, glitt in bestimmten Winkel auf die Netzhaut, wühlte sich ins spiegelnde Gehirn und erkannte sich erinnernd einen schwarz bemalten Würfel aus Holz. Der Tröll, da nunmal auf Reisen, rammte sich durch dessen Oberfläche, puhlte sich zwängend durch drückende Molekülkugeln, betatschte verinnerlicht zärtlich Atome, setzte sich rapide schrumpfend auf das winzige Elektron, umkreiste den kaum noch sichtbaren, weit entfernten Kern, fühlte seine plötzliche dunkle Einsamkeit in der entleerten Natur, rutschte panisch aus dem Würfel, grabschte kurzentschlossen nach ihm und irritierte den Barkeeper: Würfeln wir einen aus?

Ónytjungur: „Was willst du mir damit sagen?“

Aldavinur: „Da es keine Wege gibt, auf denen sich nichts erfahren ließe, wäre jede Vorschrift über erlaubte und unerlaubte Wege Ausprägung vorhandenen Unwissens, gibt es doch nur nützliche und nutzlose Wege, und wer könnte da wissen, wo doch Nutzen nur Nutzen sein kann, wenn durch ihm kein Schaden bedingt, und auch jeder Weg nur ein einziges Mal begangen wird, da er danach für niemandem mehr begehbar wurde.“

Ónytjungur: „Ich verstehe nur Bahnhof.“

Aldavinur: „Ich will dir damit sagen, dass ich über keinerlei Antworten verfüge. Ich wäre schon froh, wenn es mir gelänge, die richtigen Fragen zu stellen. Magst du mit mir ein Lied singen??

Ónytjungur fasste Aldavinur bei der Hand, beide tanzten einen Reigen auf ihrem Stein und sangen dazu das Lied über die Weisheit:

Wollte sie sich
beschreiben,
sie beschriebe sich
als zwangseingewiesener
Patient,
auf Krücken
durch Korridore
einer Irrenanstalt
humpelnd,
und nicht
als deren
Psychiater.

Wäre ich weise,
oder wenigstens intelligent,
ich befände mich nicht
an jenem Ort
zwischen Traum und Wachsein,
vom Schlaf in den Tag flüchtend,
und vom Tag in den Schlaf.