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Gesetzt den Fall, es gebe …, dann …

Lljósmynd:  © Kári Þór Jóhannsson, Fiskbúð Sjávarfangs

Ónytjungur: „Verhält es sich nicht so, dass die Vorstellungskraft die Formen der  Sinneswahrnehmungen auch dann bewahre, wenn diese nicht mehr existieren?“

Lesandi: „Ich wüsste nicht, was dagegen spräche.“

Ónytjungur: „Und könnte es sein, dass die Tätigkeit des Zusammenfügens dieser Formen und ihrer Unterscheidung voneinander zu denjenigen Fähigkeiten gehört, die nicht zur Vorstellungskraft selbst gehören?“

Lesandi: „Vermutlich. Durch diese Tätigkeit kann einer sich bekanntlich auch vorgestellte Dinge erdenken, die unrealistisch sind, wie im Traum oder in den Träumen des Wachseins.“

Ónytjungur: „Gut. Nennen wir vorerst jene Instanz, welche diese Tätigkeit ausübt, die Kombinierende. Könnte es sein, dass  diese Fähigkeit  in ihrer Tätigkeit mit dem Gedächtnis verbunden ist?“

Lesandi: „Nun, wie sonst könne einer sich die Wahrnehmungen erneut vor Augen führen, stammten diese nun von den äußeren Sinnesorganen oder von den inneren Fähigkeiten wie Phantasie oder der  Kombinierenden. Wozu fragst Du?“

Ónytjungur: „Somit wäre es bei einem, welcher sowohl zu Sinneswahrnehmungen fähig,  als auch über Vorstellungskraft verfüge, für die Kombinierende durchaus eine Möglichkeit, fragte diese nach dem ‚Was wäre wenn‘?“

Lesandi: „Mit anderen Worten ‚Gesetzt den Fall, dass …‘ ? Nun, es war davon zu hören, dass der gegenwärtige isländische Staatspräsident  Guðni Th. Jóhannesson vor seiner Präsidentschaft Dozent an der Universität Ísland war. Ein Gegenstand seiner Forschungstätigkeit sei zum Beispiel die Methode  “Efsaga” (“Was wäre wenn”)  gewesen, an der Universität Reykjavík, Fakultät für Geschichte und Philosophie. Du willst mir gegenüber hoffentlich nicht behaupten, Du könntest dazu etwas Sinnvolles beitragen.“

Ónytjungur: „Wirke ich auf Dich, als würde ich unter Größenwahn leiden? Nein, ich würde diese Methode als Laie nur zu gerne einmal selbst anwenden. Ich hatte hierzu äußere Sinneswahrnehmungen aus dem Gedächtnis entnommen, womit sich dann die  Kombinierende zu beschäftigen hatte. Da ich – wie Du weißt – nur dazu fähig bin, etwas mehr oder weniger klar zu beschreiben,  wird es wohl das Beste sein, ich rufe die Fragestellung aus meiner Erinnerung zurück:               

 ‚Einmal angenommen, dass einer Lehre gefolgt werden könne oder nicht, also diese praktiziert werde oder nicht, so ist festzustellen, dass durch diese Lehre, da gelehrt, Festsetzungen der Art getroffen wurden, welche das, was sich innerhalb der Lehre befinde, von dem abgrenze, was außerhalb der Lehre sich befände.
Wie wäre dann eine Lehre beschaffen, zu welcher sich nichts außerhalb ihrer selbst etwas feststellen ließe, da alles innerhalb?
Wäre diese nicht eine Lehre, deren Eigenschaften aussagten, dass diese nicht gelehrt werden kann, und daher nur praktiziert werden könne?
Würde dies nicht auch bedingen, dass es nur eine einzige solche Lehre geben könne, und diese längst von allen praktiziert wird?
Denn gäbe es deren mehrere, worin könnten sich diese schon unterscheiden, da keine von ihnen gelehrt?
Und da nicht gelehrt, was könne da die Feststellung begründen, es gäbe auch nur einen Einzigen, der sie nicht praktizierte?
Wäre dann, aus dieser Sicht, erstens diese Lehre nicht eine Lehre von der Einheit, und daher per se einzigartig, und zweitens die Wege des Wissens so zahlreich wie die Anzahl der bisherigen Menschen?
Und wäre dies dann nicht auch der einzige Punkt, in welchem die Vielfalt dieser Lehre sich doktrinär ausdrückte?‘

Untersuche ich nun – ausgehend von der Annahme – die Folge daraus resultierender Ableitungen auf deren Gültigkeit, so entdecke ich darin nur vernünftige Schlussfolgerungen. Bin ich auf dem Holzweg?“

Lesandi: „Woher soll ich das wissen. Wie Du weißt, ist das Auge der Zufriedenheit für jeglichen Mangel zu schwach, so wie das Auge der Unzufriedenheit die schlechten Dinge ans Licht bringt.“

Was wäre, wenn …

Ob Zufälle die Welt und das Leben jedes Einzelnen zumindest mitregieren, ist Gegenstand der Methode  „Efsaga“ („Was wäre wenn“)  an der Universität Reykjavík, Fakultät für Geschichte und Philosophie:

Die Menschen haben lange gefragt, was in der Geschichte der Menschheit passieren konnte, aber nicht geschah. Was, wenn in der Antike die Perser Griechenland besetzt hätten? Was, wenn der Süden im amerikanischen Bürgerkrieg gesiegt hätte? Was wäre, wenn Hitler im Ersten Weltkrieg gefallen wäre? Es kann sicherlich Spaß machen, Fragen dieser Art zu berücksichtigen, aber haben sie einen gewissen Wert in der Geschichte? Der Vortrag wird zu dem Schluss kommen, dass dies ohne zu zögern zu bejahen ist. Reflexionen darüber, was hätte geschehen können, helfen uns besser zu verstehen, warum es so war; was fast unvermeidlich war, und was reiner Zufall und Laune des Schicksals war.“

Ein Ergebnis aus der Frage „Was wäre, wenn“ hat 2012 die Redaktion der Zeitung Lemurinn präsentiert:

http://lemurinn.is/2012/08/20/hitler-a-thingvollum/

Übersetzung:  „Der Führer gab seiner Bewunderung für den Naturpark Ausdruck und sagte wörtlich: Es ist bemerkenswert, hier an diesem Ort zu stehen, wo die nordische Rasse ihre goldene Ära im Mittelalter hatte. Nun, da Island vom britischen Imperialismus und der jüdischen kapitalistischen Verschwörung befreit worden ist, wird die nordische Kultur in Thingvellir wieder aufstehen.“

Da dieser Besuch nicht stattfand, brauchte der Gröfaz die von den Isländern sicherlich gestellte Frage nicht beantworten, ob er eine Überdosis an Schwefelgasen abbekommen habe, denn eine Überdosis würde zu ernsten Gefäßschäden im Gehirn führen, und was denn das sein solle, die „nordische Rasse“, denn auf Ísland gebe es dergleichen nicht, habe es auch zu keiner Zeit gegeben, zudem wäre den Isländern die Pflicht zu Gehorsam und Unterordnung ein fremder Gedanke, und außerdem sei ihre Kultur zu keiner Zeit gestorben, so dass sie gar nicht auferstehen könne.

Einer der Efsaga-Forscher der Universität Reykjavík hat kürzlich eine andere Rolle übernommen:

http://gudnith.is/efni/um_mig_english

Ein Doktor der Philosophie kann durchaus auch ein sehr subtiler Staatspräsident sein. Erst kürzlich  änderte der isländische Staatspräsident kurzfristig seine Pläne hinsichtlich der Begrüßung syrischer Kriegsflüchtlinge,  und  empfing die Zuflucht suchenden Menschen plötzlich nicht wie ursprünglich geplant am Flughafen, sondern lud sie kurzerhand in seine Residenz ein, kurz nachdem eine weltbekannte Person in der USA ein Einreiseverbot unterschrieb :

http://icelandmonitor.mbl.is/news/politics_and_society/2017/01/30/icelandic_president_invites_syrian_refugees_to_his_/

Nun erzählte er bei einem Vortrag die etwas seltsame Geschichte, er würde Ananas auf Pizzas verbieten. Ein etwas sonderbarer Vorgang bei einem Doktor der Philosophie. Als Ahnungslose  sich daraufhin ereiferten, war das vermutlich angestrebte Ziel der lustigen Bemerkung erreicht, und eröffnete ihm die sicherlich willkommene Gelegenheit, ganz unverdächtig auf die Unterschiede zwischen isländischem und amerikanischem System hinzuweisen:

http://icelandmonitor.mbl.is/news/politics_and_society/2017/02/22/icelandic_president_releases_a_statement_on_pineapp/

Seine vorhersehbare Replik auf Facebook:

„Ich mag Ananas sehr, nur nicht auf der Pizza. Ich kann kein Verbot erlassen, das Leuten verbietet, Ananas auf Pizzas zu setzen. Ich mag keine solchen Kräfte haben. Präsidenten haben nicht die absolute Macht. Ich würde dieses Amt nicht bekleiden wollen, wenn ich ein Gesetz setzen könnte, das verbietet, was ich nicht mag. Ich würde nicht in einem solchen Land leben wollen. Ich empfehle Pizza mit Meeresfrüchten.“

Die amüsante Episode wird wohl als die „Ananas-auf-Pizza-Affäre“ in die isländische Geschichtsschreibung eingehen.