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Pan(nen)demie

Ónytjungur betrachtete am Abend gerade das bunte Treiben unten in der Stadt, als sein Freund  Ferðamaður den Öskjuhlíð heraufkam.

Ónytjungur: Sei willkommen, Ferðamaður. Was gibt es Neues über die wissenschaftsbasierte Informationsgesellschaft zu berichten? Ich hoffe, nur Gutes.“

Ferðamaður: „Wäre nicht erst zu klären, was du mit dem Begriff wissenschaftsbasierte Informationsgesellschaft meinst?“

Ónytjungur: „In der Tat. Soweit mir bekannt, gibt es da jene, in welcher nicht die Ergebnisse zählen, sondern nur Rollen und Privilegien, und solche, in welchen die Rolle nichts zählt, auch keine Privilegien gewährt werden, und nur dem Ergebnis rege Aufmerksamkeit zuteil wird. Auch in der Art der Beschaffung von Informationen ließen sich diese unterscheiden, in jene, welche als Haptiker Erfahrungen aus einer Vielzahl an Büchern schöpfen, vorzugsweise aus Philosophie, Literatur und Wissenschaft, und solche, welche sich lieber in so genannten sozialen Netzwerken tummeln und die Lektüre von Gedichten dahingehend bewerten, dass diese nicht mehr angemessen sei. Du erinnerst dich sicherlich noch an jenen Gast im Restaurant des BSÍ Terminals, der nach Weihnachten aus zwei prall gefüllte Einkaufstaschen nach und nach einen Gedichtband nach dem anderen herausholte, jeden an einer bestimmten Seite aufschlug, die gesamte Fläche des großen Tisches mit all den aufgeschlagenen Gedichtbänden pflasterte, um dann bei einer Tasse kräftigen Kaffees Stunde für Stunde einen Band nach dem anderen heranzuziehen und darin mit Genuss zu schmökern? Weswegen fragst du?“

Ferðamaður: „Ja, er hatte sich entweder in der Bókaflóð eingedeckt oder zahlreiche gute Freunde. Nun, woher ich komme, pflegt man lieber den Hang zum Zweitbuch, gut sichtbar im Wohnzimmerschrank, vorzugsweise Bildbände, Ratgeber oder sonst etwas Repräsentatives. Ich fragte, weil ich mir keinen Reim darauf machen kann, weswegen die Ergebnisse bei zwei unterschiedlichen wissenschaftsbasierten Informationsgesellschaften derart auseinander klaffen.“

Ónytjungur: „Als da wäre?“

Ferðamaður: „Nun, wie du sicherlich bereits erfahren hast, treibt sich gerade weltweit eine infektiöse organische Struktur herum, welcher reihenweise Menschen zum Opfer fallen, also daran sterben.“

Ónytjungur: „Hat sich auch hier oben herumgesprochen. Sind nicht alle wissenschaftsbasierten Informationsgesellschaften gleichermaßen von der infektiösen organischen Struktur betroffen? Ich erinnere mich, dass dort unten diese infektiöse Struktur zuerst entdeckt wurde, als Einheimische aus einem Ort  namens Ischgl krank zurückkehrten, und der Epidemiologe dort unten das Kaff bereits am 5. März darüber informierte. Reim dich oder ich fress dich.“

Ferðamaður: „Wie kommt es dann, dass dort unten die Letalitätsrate bei 0,1 % liegt, trotz einer  Infektionsrate von 45,5 % und anderenorts die Letalitätsrate bei 0,7 % trotz einer geringeren Infektionsrate von nur  21,6 %? Sicherlich hast du hierzu auch einen passender Reim  in deinem Portfolio.“

Ónytjungur: „Nun ja, hier treiben sich nur ungefähr 368.720 poten-tielle Opfer herum, anderenorts geht die Anzahl in mehrere Millionen, wie auch dir bekannt sein dürfte.“

Ferðamaður: „Ist dies dein Reim? Du entpuppst dich als Laubendichter?“

Ónytjungur: „Ich sage nur die Wahrheit.“

Ferðamaður: „Zweifellos, allerdings unterschlägst du dabei wesentliche Eigenschaften, was ich von dir bisher nicht gewohnt.“

Ónytjungur: „Welche wesentlichen Eigenschaften, du Naseweis.“

Ferðamaður: „Zum Beispiel jene, dass es dort unten nur eine Gesundheitsbehörde gibt, welche sich um ungefähr 368.720 potentielle Opfer sowie um die zusätzlich anreisenden Passagiere am internationalen Flughafen Keflavík zu kümmern hat, dort hingegen sich sage und schreibe 376 Gesundheitsbehörden um die Angelegenheit kümmern, im schlimmsten Fall für nur 338.218 potentielle Opfer. Zudem wurden hier alle Einreisenden – Jacke wie Hose,  ob nun geimpft, ungeimpft oder getestet – einem PCR-Test unterzogen, 5 Tage zur Quarantäne in eine kostenlose Unterkunft verwiesen, erhielten nach 5 Stunden das Ergebnis des ersten PCR-Tests und nach 5 Tagen Quarantäne das Ergebnis des zweiten PCR-Tests auch innerhalb von 5 Stunden, erst danach durften alle raus. Welchen Reim machst du dir nun darauf?“

 Ónytjungur: „Möglicherweise sind diesen dort die Hände gebunden …“

Ferðamaður: „Wieder daneben.“

Ónytjungur: „Nun bin ich s, der sich darauf keinen Reim machen kann. Hättest du auch eine Erklärung parat, welche auf vorhandene Plausibilität überprüfbar ist?“

Ferðamaður: „Wäre einen Versuch wert. Wie dir sicherlich bekannt sein dürfte, ist es die Zeit, welche bei einer Pandemie Leben rettet, oder etwa nicht?“

Ónytjungur: „Das ist eine Binsenweisheit, die keinen Wissenszuwachs bringt, da dies dort unten bereits jeder ABC-Schüler kennt. Und?“

Ferðamaður: Wie lange dauert es dort unten, bis die Infektionskette der infektiösen organischen Struktur unterbrochen wird?“

Ónytjungur: „Nun, die Gesundheitsbehörde dort unten hat umgehend selbst eine Warn-App entwickelt und bereits im April 2020 freigegeben. Die Ergebnisse von PCR-Tests wurden bereits spä-testens nach 5 Stunden mitgeteilt, war einer positiv, wurden dessen Kontakte umgehend aus der Warn-App von der Gesundheitsbehörde ausgewertet und gefährdete Kontaktpersonen unmittelbar per Anruf informiert, dass sich diese in Quarantäne zu begeben haben,  …“

 Ferðamaður: „… und erzielten damit eine 7-Tage Inzidenz von Null. Mir bekannt.“

Ónytjungur: „Und anderenorts?“

Ferðamaður: „Die verließen sich auf Antigen-Tests, Schüler mussten eine OP-Maske tragen.“

Ónytjungur: „Ei verbibbsch. Verhält es sich nicht so, dass Antigen-Tests sehr ungenau sind und OP-Masken bei einem Maskenball angebrachter wären?“

Ferðamaður: „Nun, glaubwürdige Quellen berichten, dass ein großer Online-Händler alle seine Mitarbeiter täglich am Eingang jedes Logistikzentrums einem Antigen-Test unterzieht und nur jene in den Betrieb lässt, welche negativ getestet wurden.“  

Ónytjungur: „Eine weise Maßnahme.“

Ferðamaður: „Dumm nur, dass die Anzahl an Mitarbeitern, welche an der Pforte negativ getestet wurden, kurz danach jedoch wegen Symptomen in einem PCR-Test positiv getestet wurden und deren Anzahl zunimmt.“

Ónytjungur: „Coup de théâtre! Taugen die Antigen-Tests nichts?“

Ferðamaður: „Du weißt ja, wo schnelles Geld gemacht werden kann, musst du auf Betrüger und Vetternwirtschaft nicht lange warten. Zudem sind dort die Behörden immer noch dabei, die feilgebotenen Produkte zu testen, um für die gutgläubigen Anwender die Spreu vom Weizen zu trennen.“

Ónytjungur: „Nach zwei Jahren? Da ist es doch gut, dass die geringe Anzahl von Konsumenten hier große Online-Händler nur müde abwinken lässt, da nix zu verdienen wäre, und dass die Bevölkerung dort unten noch über zwei Beine verfügt, alle Anbieter von Produkten ihre Geschäfte folglich nicht zu schließen brauchen. Wieso sind die dort nach zwei Jahren immer noch nicht damit fertig, die Spreu vom Weizen zu trennen? Steckt darin nicht ein sehr großes Gefahrenpotential?“

Ferðamaður: „Þetta er ekki til umræðu. Zudem zöge ich es vor, über jenes, von dem ich weiß, von einem Anderen zu hören. Ich fliege morgen nach Portugal.“ 

Ónytjungur: „Wie kommt’s?

Ferðamaður: „Ich habe Sehnsucht, einen oder eine Fadista zu hören.“

Ónytjungur: „Fado? Sehnsucht nach Liedern über vergangene Zeiten? Sehnsucht nach besseren Zeiten? Unglücklich verliebt?“

Ferðamaður: „Weit gefehlt, das Liedgut umfasst auch Werke zu sozialen Missständen.“

Ónytjungur: „Oder treibt sich dort die infektiöse organische Struktur nicht herum?“

Ferðamaður: „Weit gefehlt. Obschon dort seit Langem mehr als 90 % vollständig geimpft sind, steigt weiterhin kontinuierlich die Infektionsrate und liegt nun bei 33,6 %.“

Ónytjungur: „Nun denn, so sei es meinetwegen. Hast du vorher noch Lust, mit mir ein Lied zu singen?“

Ferðamaður fasste Ónytjungur bei der Hand und beide tanzten einen Reigen um Perlan herum.

(75) Veita hinn
er vætki veit,
margur verður af aurum api.
Maður er auðigur,
annar óauðigur,
skylit þann vítka vár. 1)

(75) Gewähre dem,
der nichts weiß;
oft wird Reichtum nachgeäfft.
Ein Mensch ist reich,
ein anderer arm,
keinem ein Vorwurf
wegen Unglück & Pech.

1) „Hávámál og Völuspa“, Gísli Sigurðsson, Svart á Hvítu, Reykjavik 1986 

Anmerkung: Am 30. März 2022 berichtet DER SPIEGEL:

Das Paul-Ehrlich-Institut hat vielen Antigenschnelltests ein gutes Zeugnis beim Omikronnachweis ausgestellt. Zu Unrecht, meint der Münchner Virologe Oliver Keppler, die Studie sei unzulänglich. Kritik gibt es vor allem an der Stichprobe. Der Münchner Virologe Oliver Keppler hält die günstige Bewertung von Corona-Schnelltests durch das bundeseigene Paul-Ehrlich-Institut (PEI) für falsch. Der Leiter der Virologie an der Münchner Ludwig Maximilians-Universität (LMU) wirft den Studienautoren des PEI vor, dass eine Arbeit, die das PEI in der vergangenen Woche veröffentlicht hat, wissenschaftlichen Standards nicht genüge. Keppler kritisiert unter anderem, dass die Zahl der Proben für eine verlässliche Studie viel zu gering gewesen sei. …

Es wurde eine viel zu kleine Zahl an respiratorischen Proben pro Virusvariante untersucht, nämlich 4, verglichen mit 50 bis 100 in den meisten internationalen Studien“, schreibt Keppler in seiner Bewertung der PEI-Studie. Die PEI-Daten erfüllten wissenschaftliche Mindeststandards nicht und seien daher nicht aussagekräftig.

Für solche Untersuchungen braucht es ausreichend große Probensets, um statistische Vergleichbarkeit zu erzielen“, heißt es in Kepplers Stellungnahme. Darüber hinaus seien weitere Untersuchungen mit in Zellkulturen expandierten Virusvarianten durchgeführt worden, obwohl die klinische Aussagekraft dieser Methode mittlerweile stark bezweifelt werde. „Man hat fast den Eindruck, hier wurde ein »Jugend Forscht«-Projekt durchgeführt.“

Die vielen Alltagsberichte von mehrfach falsch-negativen Antigenschnelltests selbst bei symptomatischen Menschen, bei denen dann erst Tage später per PCR Covid-19 diagnostiziert wird, sollten uns allen zu denken geben“, schrieb Keppler – und kritisierte das PEI scharf: „Für eine mit Millionen durch den Bund geförderte Bundesbehörde, deren genuine Aufgabe und Verantwortung es ist, diese Fragen fundiert und verlässlich für das Pandemiemanagement in unserem Land zu klären, ist dies fast vier Monate nach Erstbeschreibung von Omikronfällen in Deutschland viel zu spät, inhaltlich dünn und in der Aussagekraft fraglich.

„Teil des Seins eines Isländers“

Am 30. November veröffentlichte die New York Times einen Artikel der Autorin Kimiko de Freytas-Tamura über ein isländisches Phänomen: „On an Island Named for Ice, the Poets Are Just Getting Warmed Up„. Übersetzung aus dem Englischen:

Von KIMIKO DE FREYTAS-TAMURA NOV. 30, 2016:

Island, so scheint es, ist voll von versteckten Dichtern.

Wenn sie nicht ihrem Hauptberuf nachgeht, versucht sich eine große Anzahl der 330.000 Einwohner zählenden Insel in Versen, auch Politiker, Geschäftsleute, Pferdezüchter und Wissenschaftler, welche die genetische Isolation der Insel in der Verfolgung medizinischer Durchbrüche studieren. Selbst David Oddsson, der 2002 Ministerpräsident war (als die isländischen Banken privatisiert wurden) und Zentralbankpräsident im Jahr 2008 (als die Banken zusammenbrachen), ist ein ausgebildeter Dichter .

Birgitta Jonsdottir, die Anführerin der anarchistisch ausgerichteten Piratenpartei, die sich bei der gegenwärtigen Parlamentswahl sehr gut bewährt hat, beschreibt sich ziemlich hochfliegend als „Poetikerin“. Ihr erstes veröffentlichtes Gedicht „Schwarze Rosen“ schrieb sie, als sie 14 Jahre alt war, und drehte sich um einen nuklearen Holocaust.

Kari Stefansson, einer der weltweit führenden Genetiker und Gründer von Decode Genetics, erinnerte sich an ein Gedicht, das er 1996 schrieb, wenige Monate nach der Geburt von Dolly, dem geklonten Schaf.

„Ich war ein wenig depressiv“, sagte Herr Stefansson in seinem Büro, das mit seinen Schlitzfenstern und Computerbildschirmen ein wenig wie das Innere eines Raumschiffs aussah. „Einer meiner Wege, damit umzugehen, war, ein kleines Gedicht zu schreiben“, sagte er, bevor er fortfuhr, es zu rezitieren:

Wo finde ich, verloren in der Helligkeit eines sonnigen Tages,
das Glück eines unglücklichen Menschen.

Günstig nur, eine Kopie von sich selbst zu sein.
Alles andere stinkt.

Poesie ist ein nationaler Zeitvertreib, nicht eine besonders „fachliche Tätigkeit“, sagte Sveinn Yngvi Egilsson, Professor für isländische Literatur an der Universität von Island. „Sie ist ein Teil des Seins eines Isländers“, sagte er. „Ja, es ist charmant, nicht wahr?“

In früheren Zeiten waren Verse ein integraler Bestandteil der gesellschaftlichen Zusammenkünfte und wurden oft improvisiert, sagte er. Dichterwettbewerbe fanden statt, wobei die Preise an die witzigsten und schärfsten Verse gingen. Die beliebteste Versform, sagte er, wird „ferskeytla“ genannt, vier gereimte Strophen, die in zwei Teile aufgeteilt werden können.

Isländer sind ungewöhnlich fruchtbare Leser und Schriftsteller, und Gedichtbände neigen dazu, sich gut in Island zu verkaufen. Poesie war den Zahlen der Nationalbibliothek zufolge die drittgrößte Kategorie von Büchern, die im Lande im Jahr 2014 veröffentlicht wurden, nach Fiktion und Kunst. In diesem Jahr wurden weit mehr Poesie-Bücher in Island veröffentlicht, als Bücher über Wirtschaft oder öffentliche Verwaltung. (Es gab anscheinend überhaupt kein Buch über Finanzwirtschaft.)

Das kalte ozeanische Klima und lange Winternächte können auch etwas damit zu tun haben. „Die Leute bekommen gewöhnlich Langeweile, und sie versuchen, sich gegenseitig bei Laune zu halten“, sagte Professor Egilsson. „Einer dieser Wege ist die Poesie.“

Übersetzung: B. Pangerl

Wohlstandsphilister

troll-imadeWEB-1Tilvera: „Du nennst dich Taugenichts, wirst auch so gerufen. Wie kommt es?“

Ónytjungur: „Da musst du jene fragen, die mich so nennen, und jenen, der mir diesen Namen gab.“

Tilvera: „Und aus welchem Grund nennst du dich selbst so?“

Ónytjungur: „Weil ich weiß, dass ich das Ziel immer noch nicht erreicht habe, das ich hätte erreichen können.“

Tilvera: „Und was ist dieses Ziel?“

Ónytjungur: „Das ist der zweite Grund. Ich kenne es nicht. Wozu fragst du?“

Tilvera: „Weil ich nicht verstehe, wozu sich Menschen nicht mit jenem beschäftigen, was geschrieben steht, Satz für Satz, Beschreibung nach Beschreibung, sondern sich  nur interessieren, wer geschrieben habe.“

Ónytjungur: „Du nennst dich Sein, wirst auch so gerufen. Wie kommt es?“

Tilvera: „Weil es die einzige Wahrheit ist, die ich kenne, und diese heißt ich bin. Jeder andere Name wäre …“

Ónytjungur: „… kein identifizierendes Merkmal?“

Tilvera: „Wie auch. Wäre ein Name ein identifizierendes Merkmal, so bräuchten die Menschen hier nicht das zweibeinige Lexikon der isländischen Musikgeschichte, Jóhannes, im 12 Tónar im Skólavörðustíg aufsuchen, und ihm die Personen Rúnar und Ragnar in allen Einzelheiten zu beschreiben, um diese nach dreißig Jahren unter der unüberschaubaren Anzahl der Rúnars und Ragnars  zu finden. Selbst Jóhannes kann sie nicht anhand derer Namen identifizieren, sondern erst über deren Musik, den Titeln ihrer Lieder, und ihrer Kompositionen.“

Ónytjungur: „So ist es. Und aus welchem Grund redest du nun über Namen, und nicht über Inhalte?“

Tilvera: „Ein Kerl, im Wahn, er sei ein investigativer Journalist, hat sich der Mühe unterzogen, dem Pseudonym einer Autorin nachzuspüren, um selbst endlich einmal berühmt zu werden.“

Ónytjungur: „Offensichtlich ist er zu sinnvoller Tätigkeit völlig untauglich, und hatte daher keine andere Wahl. Was kein Problem sein muss, denn es wird sich niemand dafür interessieren.“

Tilvera: „Dort kümmern sich die Leser mehr darum, wer da spricht, als darum, was einer spricht, und wie einer spricht.“

hrafnhuh2

Ónytjungur: „Da haben sich wohl Ignorant und Dummköpfe getroffen, und sich gegenseitig bestätigt. Was kein Wunder ist, denn eine deren Lieblingsbeschäftigungen war, so hatte ich bei meinen Reisen festzustellen, hinter einem Vorhang stehend andere Leute auszuspähen, um dann über das auf solche Art und Weise Erfahrene sich das Maul zerreißen zu können. Und sie finden dafür an allen Ecken und Enden bereitwilliges Gehör.““

Tilvera: „Sie sagen, sich selbst einen Namen zu geben, sei Ausdruck von Arroganz.“

Ónytjungur: „Sich selbst keinen Namen zu geben, obwohl ein Verlangen danach, ist Ausdruck unverständlicher Hilflosigkeit. Was spräche dagegen?“

Tilvera: „Die Mutmaßung anderer, da wolle einer nicht zu jenem stehen, was er schreibe, oder irgendein anderer Unfug, der solchen dann unterstellt werde.“

Ónytjungur: „Stünde ein solcher nicht zu jenem, was er schreibe, so schriebe er es doch auch nicht. Welche Vorstellungen treiben diese Leute um? Sie schließen doch damit nur unzulässig von sich auf andere, und haben nicht die geringste Ahnung, was einen dazu treibe, sich der qualvollen Mühe zu unterziehen, dem Zwang zu folgen, und Wort für Wort zu finden, Satz für Satz zu formen, und sich damit unweigerlich dem Gespött, oder der Ignoranz, oder der Lobhudelei anderer auszusetzen.“

Tilvera: „Sie sagen, die sicherste Methode, kein Interesse auf die eigene Person zu ziehen, sei gerade der Verzicht auf ein Pseudonym.“

Ónytjungur: „Die sicherste Methode, kein Interesse auf die eigene Person zu ziehen, so scheint mir, ist dort nur darüber erreichbar, etwas Brauchbares zu veröffentlichen.“

Tilvera: „Dichtung und Erzählkunst stehen dort nicht hoch im Kurs.“

Ónytjungur: „Dann stimmt folglich, was die Dichter von diesen zu erzählen wissen.“

Tilvera: „Als da wäre?“

Ónytjungur: „Dass diese nur an der Verbreitung und Veröffentlichung von Meinungen interessiert.“

Tilvera: „Und welche Worte fand der Dichter für eine exakte Beschreibung dessen, was da ist?“

Ónytjungur:

Unter all den Vögeln
auf dem Krümelacker der Worte
gackern und scharren nur sie

: ununterbrochen
statt das Tirilieren
& Fliegen zu lernen…

Tilvera: „Ein ungetrübter Blick. Hat er auch Gründe dafür genannt?“

Ónytjungur:

Konsumartikel Vergnügen
hurt mit der Bürgerlangeweile
Lude Reibach lacht sich eins
ins Fetischlein: gefressen wird,
was Konten schmiert – Gewohnheit
kühlt das letzte kleine Mütchen
unerwünschter Ausbruchsträume …

In stinkender Behaglichkeit
verfaulen Phantasie und Geist,
nur die Moral wird breit und feist
in der Grabesstille der Zufriedenheit.

Tilvera: „Und was unterscheidet diese signifikant von Dichtern?“

Ónytjungur: „Hast du nicht „Die Hände buhlen um meine Gunst“ gelesen?

Tilvera: „Erinnerst du dich noch an jenen Mann, damals nach Weihnacht, der mit zwei prallvoll gefüllten Plastiktaschen in das Restaurant am BSÍ kam, sich einen Kaffee holte, und wir beide vermutet hatten, er ruhe sich vom Rummel im Supermarkt aus? Die Plastiktaschen waren jedoch prall gefüllt mit den neuesten Büchern, welche die Bókaflóð vor die Augen der Menschen trieb. Der Mann nahm Buch für Buch aus den zwei großen Plastiktaschen heraus, öffnete jedes Buch an jener Stelle, die mit einem Lesezeichen markiert, warf einen kurzen Blick auf den noch nicht gehobenen Schatz eines Gedichts oder einer Erzählung, und legte dann das Buch, an dieser Seite geöffnet, vor sich auf den großen Tisch, und wiederholte diesen Vorgang solange, bis der ganze Tisch von aufgeschlagenen Büchern mit einer Tischdecke voller Überraschungen bedeckt. Und dann las er, Stunde um Stunde, vergaß dabei nicht, sich Kaffee bei Bedarf nachzuschenken, da es gute Sitte und alter Brauch, dass stets dann, wenn einer eine Tasse Kaffee bezahle, er nachschenken dürfe, so ihm dies zusagt, und dafür nicht nochmal bezahlen müsse. Mir ergeht es im Augenblick wie jenem Mann, vor mir liegen auch noch einige unentdeckte Schätze. Kannst du das Gedicht daher für mich rezitieren?“

Ónytjungur:

Fleißig zieht die Rechte
Tintenbahnen über’s Blatt:
hüpft unterwürfig dienstbereit,
meinen Gedanken Form zu geben;

derweil die Linke ruht
& katzenartig eingerollt
den Augenblick erschnurrt,
meinem Mund den Wein zu reichen.“

Tilvera: „Das ist es, warum die Bókaflóð hier alljährlich von allen sehnsüchtig erwartet wird. Sie schätzen die Kunst, Gedanken Formen geben zu können. Und dort?“

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Ónytjungur: „Der dort durch Mehrheit bestimmte Zustand einer Gesellschaft lässt sich an jenem Geisteszustand messen, der durch tägliche Einschaltquoten dokumentiert.“

Tilvera: „Sie schätzen dort solche Geschichten, in welchen heuchlerische Zyniker erbärmlichen Charakteren eingebildete Naivlinge präsentieren, da zum Einen ein ungeheurer Bedarf danach vorhanden, und zum Anderen sonst die Rechte der Aufklärung auf freie Meinungsäußerung, auf Pressefreiheit, und auf bedarfsgerechte Grundversorgung verletzt.“

Ónytjungur: „Dann haben sie nichts anderes verdient.“

Tilvera: „Was haben sie verdient?“

Ónytjungur

Die Gaffer bilden eine Gasse
unter dem Hochseil, um bei
meinem Aufschlag nicht von
herumspritzendem Hirn
bekleckert zu werden;
stehen aber nahe genug,
möglichst deutlich das

KLATSCH

zu hören – während ich,
konzentriert balancierend,
zufrieden errechne, dass ich
mit einigem Schwung bei
parabolischer Flugbahn
weit genug käme, um
wenigstens einige ihrer
frisch geputzten Schuhe
zu besudeln.

Tilvera: „In der Tat. Erst das Werk ist ein identifizierendes Merkmal. Wozu waren dann die Leute so erpicht auf den Namen der Autorin?“

Ónytjungur: „Um endlich einen unbeschrifteten Stempel zu haben, auf dem jeder nach Gusto seine eigene Beschriftung über die Autorin anbringen kann, die mit einer exakten Beschreibung nicht das Geringste zu tun hat. Wer in Schubladen denkt, hat keine Ahnung vom Schrank. Sie nennen es Intelligenz. „

Tilvera: „Und? Hat Jóhannes auf Grundlage deiner Beschreibung Rúnar und Ragnar gefunden?“

Ónytjungur: „Ich bin es gewohnt, nur das Wesentliche zu beschreiben, den Inhalt. Es war ihm daher ein Leichtes.“

Die zitierten Gedichte: „Balanceakt“,Songs, Lyrik & Aphorismen, Werner Friebel
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Bielefeld gibt es gar nicht?

troll-imadeWEB-1Hören Sie gut zu und wiederholen Sie!!!“ sei der Satz gewesen, der sich ihm eingeprägt habe, als er sich anschickte, die deutsche Sprache zu erlernen. Böse Zungen behaupten, er hätte sich damit bereits das Wesentliche gemerkt, was deutsche Schulen ausmache wie auszeichne. Dass dem so nicht ist, sei am Beispiel einer Stadt wie Bielefeld nachgewiesen. Es könnte aber auch eine andere deutsche Stadt sein, zum Beispiel Bonn, oder jede andere Stadt, so diese nur ca. 320.000 Einwohner zählte. Nehmen wir also eine von diesen Städten, nehmen wir Bielefeld, als Stellvertreter für all solche deutschen Städte, welche die Eigenschaft besitzt, dass in ihr ca. 320.000 Einwohner einen Wohnsitz haben.

Die Stadt der Dichter und Leser

EymundssonEs gibt in Bielefeld 129 Verlage, die 2010 insgesamt 1.505 verschiedene Bücher publiziertem, davon allein 350 Bücher im Bereich Literatur/Dichtung, aus Übersetzungen von Literatur und Dichtung anderer Länder weitere 286 Bücher, im Bereich Philosophie 16 Bücher von Philosophen der Stadt, sowie weitere 15 Bücher aus Übersetzungen von Werken ausländischer Philosophen.

Diese Werke der Bielefelder Autoren und Übersetzer werden von Druckereien gedruckt, von Buchbindern gebunden, und dann werden die 1.505 Auflagen an die 26 Bielefelder Buchhandlungen ausgeliefert, damit die Bielefelder mit Lesestoff versorgt werden, auf welchen diese schon sehnsüchtig warten, um in langen Winternächten ihrer Leidenschaft nachgehen zu können: In einem Buch zu lesen. Und da ein Buch in Bielefeld nur dann Buch ist, wenn Werk von Dichter sich vereint mit Werk von Buchgestaltern, Werk von Druckern, Werk von Buchbindern, und Kenntnis von Buchhändlern, wird verständlich, dass die Bielefelder unter der Tätigkeit „lesen“ etwas anderes verstehen als ein Scannen von Zeilen und das Konsumieren von Texten;. sie daher Jahr für Jahr auf die neue Bücherflut warten, und sich überraschen lassen, von all dem Neuen, bisher noch nicht Dagewesenen, um sich darin zu versenken.

Da dies in Bielefeld so ist, entstand dort eine Gemeinschaft all jener, die mit der Herstellung von Büchern zu tun haben: Der Bielefelder Schriftstellerverband, der eine Autorengewerkschaft ist, und dessen Aufgabe darin besteht, die Freiheit der Literatur zu schützen. Dieser Verband kümmert sich um Regelwerke mit Herausgebern, Theatern, Medien, Institutionen und anderen Einrichtungen, die die Werke herausgeben oder verwenden wollen.

Und so leben in Bielefeld 70 Autoren allein von ihrer schriftstellerischen Tätigkeit, die Stadt zahlt Provisionen an einen speziell dafür eingerichteten Fond für die Benutzung von Büchern in öffentlichen Bibliotheken, und für die Verwendung von Texten als Lehrmaterial in den Schulen der Stadt.

Der Stellenwert von Dichtkunst und Literatur ist in Bielefeld so hoch, dass die Molkerei der Stadt einen Dichter-Wettbewerb unter den Schülern der Stadt auslobte, und dann die Gedichte der Kinder auf den Tetra Paks publizierte. So konnten die Bielefelder Familien morgens beim Frühstück ihren Tag mit dem Lesen eines Gedichts anreichern, mit Gedichten von Schülern, wie zum Beispiel diesem:

„Damals
war ich so glücklich
ihn zu peinigen
und keiner
wagte mich anzuklagen.

Jetzt
sah ich ihn heute,
er ist berühmt.
Ich beneide ihn;
was bin ich?
Nichts!“

„Willkommen in der Stadt“

Es kann daher auch nicht überraschen, dass sich der Bürgermeister der Stadt schriftlich an die Besucher der Stadt wendet, an die Touristen, indem er darauf hinweist, dass die Wahrscheinlichkeit nicht groß ist, dass diese in der Stadt sind, da der größte Teil der Menschheit anderswo sei, und dies wissenschaftlich erwiesen ist:

Ist es ein Zufall, wo man geboren wird? Ist es Gegenstand eines allgemeinen Gesetzes? Habe ich in irgendeiner Form existiert, bevor ich geboren wurde? Hatte ich etwas damit zu tun, wo ich geboren wurde? Warum haben Eva Braun und Adolf Hitler keine Kinder geboren? Haben sie es nicht versucht? Kann es sein, dass kein Kind sie als Eltern wollte? Ich weiß es nicht, aber ich glaube nicht an Zufälle. Ich glaube nicht, dass Gott Würfel spielt, vor allem nicht, wenn Menschenleben betroffen sind. Diese Gedanken führen einen unweigerlich dazu, Schrödingers Katze zu betrachten. Sie ist wahrscheinlich eine der berühmtesten Katzen der Welt (vielleicht nach Ninja Cat). Noch weiß niemand, wie sie genannt wurde? Wie wurde Schrödingers Katze genannt? Abrakadabra? Ich erinnere mich nicht. Nennen wir sie Phoenix. Das ist eine gebräuchliche Bezeichnung für Katzen. Phoenix war von der Art, dass sie sowohl existierte und auch nicht. Deshalb existierte sie immer, und selbst wenn Schrödinger seine Katze in einer eher geschmacklosen Weise getötet hätte, ist sie immer noch in Schrödinger’s Haus am Leben, während Schrödinger selbst seit längerer Zeit tot ist:

Δx Δp ≥ h/2

Bedeutet dies, dass ich immer existierte, oder dass ich nie existierte und daher auch jetzt nicht existiere? Das kann nicht sein! Es würde bedeuten, dass all unsere Existenz irreal war und nur in unserer eigenen Phantasie existierte. Wenn ich nicht existiere, dann du auch nicht. Ich hatte eine harte Zeit, das zu glauben. Die Fakten sprechen für sich. Wenn ich nicht wirklich bin, dann, wie könnte ich dann nach Finnland fliegen, mir eine Postkarte mit einem Bild von der finnischen Präsidentin Tarja Halonen zusenden, wieder nach Hause fliegen und den Briefträger begrüßen, der mir die Karte bringt? Ich weiß nicht.“

„Der Vater ein Alkoholiker, und die Mutter war immer müde“

Man kann die Nation mit einer Familie vergleichen, mit einem Alkoholiker als Vater, der seit vielen Jahren betrunken ist …Er hatte große Ideen, vor allem, wenn er einige hatte. Er hatte einen Mund und scheute sich nicht, den Leuten zu sagen, wohin sie gehen sollten … ‚Ich höre keinerlei Bullshit zu!‘ war sein Motto, und seine Familie vertraute ihm. Zum Teil, weil die Familie ihn liebte, trotz seiner Trinkerei und seiner Fehler, aber auch zum Teil, weil die Leute einfach Angst hatten, sich gegen ihn zu stellen. Und so begann die Familie sich zu fragen, ob er eine Art von Genie sei und kein psychisch kranker Alkoholiker, sondern brillant, der fähig ist, Dinge zu sehen, für die die durchschnittlichen Verlierer nicht klug genug waren, sie zu sehen … Am Ende konnte er nichts mehr tun als den geistigen, körperlichen und finanziellen Ruin zu gestehen. Und so ging er in Behandlung. Und die Familie blieb verblüfft, verwirrt und wütend zurück“.

So die Rede des Bürgermeisters zur zweiten Diskussion zum Jahresbudget der Stadt, und die Staatsbürger der Nation lobten die Rede, indem sie die Ausführungen als „erschreckend genau“ bezeichneten. Aber der Bürgermeister warnte vor dieser Wut, da sie Energie „verbrenne“ und zu Erschöpfung führe, denn Gram und Hoffnungslosigkeit führe zu Inaktivität. Ärger sei menschlich und manchmal notwendig, aber wenn zugelassen werde, dass er sich anhäuft, werde dies zu einem tödlichen Gift, das den Geist krankmache. So der Bürgermeister, der in seiner Ansprache zur Ankündigung des vorgeschlagenen Stadthaushalts bereits ankündigte:

Wir teilen keine vorgegebene, gemeinsame Ideologie. Wir sind weder rechts noch links. Wir sind beides. Wir wissen nicht einmal, dass es darauf ankommt Wie oft kann der Kuchen geschnitten werden? Wer bekommt ein kleines Stück? Und wer braucht ein wirklich großes Stück? Was ist ein Luxus, und was ist wichtig? … Ist es besser, die Kinder an Stelle der Älteren zu berauben?

Der ehrenhafteste Politiker des Landes

gnarr_coverSpätestens an diesem Punkt wäre hier klarzustellen, dass es sich bei diesem Bericht keineswegs um eine Stadt handelt, sondern um eine ganze Nation, deren Anzahl an Staatsbürger nicht größer ist als eben die Einwohnerzahl einer Stadt wie zum Beispiel Bielefeld. Und die Rede ist von einem Bürgermeister einer Stadt, der den Namen Jón Gnarr angenommen hatte, und dessen Amtszeit als Bürgermeister der Stadt Reykjavik bereits endete, in welcher er 8.000 Angestellten der Stadt vorstand. Die Amtszeit endete nicht, weil er nicht mehr gewählt worden wäre. Keineswegs. Bereits nach einem Jahr Amtszeit bescheinigte ihm die Nation, der ehrenwerteste Politiker des Landes zu sein. Laut Nachricht der Tageszeitung Morgunblaðið vom 11.03.2011 erreichte Jón Gnarr nach einem Jahr Amtszeit im Vergleich mit anderen politischen Persönlichkeiten Islands den Spitzenplatz in Ehrlichkeit (28,8 %), Zusammenarbeit mit der Gemeinschaft (23,7 %), Ausstattung mit Persönlichkeit (29,5 %), und bildete in Entschlossenheit (5,0 %), Machtstellung (5,6 %), Standhaftigkeit gegenüber seinen Überzeugungen (17,9 %) und Funktionstüchtigkeit bei Druck (3,5 %) das Schlusslicht, galt damit als die ehrenhafteste und ehrenwerteste Person Islands.

Eine Bewertung, die geeignet ist für Irritationen: Sind es nicht eben die Eigenschaften „Entschlossenheit“, „Machtstellung“, „Standhaftigkeit gegenüber seinen Überzeugungen“ und „Funktionstüchtigkeit bei Druck“, welche Politiker auszeichne und diese erst zu solchen mache, und seien diese nun – was diesbezüglich Jacke wie Hose – in einer Diktatur oder Demokratie unterwegs, ob dort nun säkular oder auch nicht? Und ist damit gesagt, dass Politiker nur dann Politiker sind, wenn diese ehrlich sind, mit der Gemeinschaft zusammenarbeiten, und mit Persönlichkeit ausgestattet sind?

Und so endet die Rede Jón Gnarr’s zur Diskussion über das Jahresbudget der Stadt:

Miss Reykjavík hat eine Zukunft vor sich. Sie hat vielleicht einen Alkoholiker als Vater gehabt und ihre Mutter war immer müde. Doch sie lässt es dabei nicht bewenden. Sie verzeiht alles, duldet alles, und streckt sich zum Licht. Reykjavík hat das Potenzial, die sauberste und schönste, friedvollste und lebenslustigste Stadt der Welt zu sein, weltbekannt für Sympathie, Kultur, Natur und Frieden; ein Diamant, für uns zu polieren und zu glänzen„.

Der „Komiker“

Was ist ein „Komiker“? Lassen wir Jón Gnarr selbst zu Wort kommen:

Vor einem Jahr saß ich auf der Insel Puerto Rico. Ich hatte gerade einen Kinofilm fertiggestellt, zu dem ich das Drehbuch schrieb und den ich zusammen mit ein paar meiner Freunde produziert hatte. Ich war arbeitslos und frage mich, was mein nächstes Projekt sein soll.

Ich war zuvor bei einer Werbeagentur beschäftigt, wurde aber im Gefolge der Rezession und Depression entlassen. Ich verfolgte die Situation in Island über die Nachrichten-Websites. Es wurde zur Gewohnheit nach dem Zusammenbruch. Vor dem Zusammenbruch hatte ich wenig Interesse an Politik, und ich ging sogar einige Längen, um zu vermeiden, dem Treiben in dieser Ecke der Gesellschaft folgen zu müssen.
Ich tat dies, bis alles mit einem Krach zusammenbrach und unser Premierminister im Fernsehen auftrat, um Gott zu bitten, uns zu segnen. Ich fühlte mich wie mit einem nassen Lappen geohrfeigt. Was war geschehen? Ich begann im Anschluss daran die Nachrichten aufmerksam zu verfolgen. Wo ich ging, drehte sich der Diskurs überall um dieses Thema; auf Parties, bei Geschäften und bei Treffen mit Freunden auf der Straße.
In einem Augenblick wurde ich ein Nachrichten-Süchtling. Und je mehr ich den Nachrichten folgte, umso wütender wurde ich. Ich war wütend auf die kapitalistischen Bankster. Ich war auf das System wütend, das versagte. Aber ich hob meinen heftigsten Zorn für die Politiker auf. Jeder einzelne von ihnen ist ein unfähiger, eigennütziger Idiot, dachte ich.
Ich war wütend auf mich, und böse auf die Menschen, die diese Politiker gewählt hatten. Ich wollte etwas tun. Ein paar Mal ging ich hinunter zur Austurvöllur, um mich an den Protesten zu beteiligen. Ich konnte mich zur uneingeschränkten Teilnahme nicht entschließen. Ich wollte nicht Müll in das Alþing werfen oder mit der Polizei ringen. Ich wollte meine Wut nicht durch die Eröffnung eines Blogs entlüften.

Ich bekam von all dem Ärger Angst, von der Wut in mir und die mich umgebende Wut. Ich war besorgt, dass sie sich verstärkt und wächst und am Ende etwas Schreckliches passieren würde. Ich fühlte den Schmerz aller. Ich fühlte mit den Menschen, die in ihrem Protest Zeichen schwangen und auf Töpfe schlugen. Aber ich fühlte auch mit den ängstlichen Politikern, die in übereilter Flucht zu ihren Autos liefen oder mit Angst in ihren Augen vor den Kameras standen. Ich fühlte mit den Polizeibeamten, die die wütenden Massen vor dem Gesicht hatten. Mein Vater lag damals auf seinem Sterbebett im Landeskrankenhaus. Er war seit über vierzig Jahren ein Polizist Reykjavík’s. Er wurde in all den Jahren nicht in einen höheren Rang befördert, weil er Kommunist war. Ich fand es traurig, dass er starb und es ihm entgangen ist, dass die Links-Grünen in das Alþing kamen. Das hätte ihn sehr glücklich gemacht.
Ich liebe diese Stadt und ich liebe dieses Land. Ich liebe die Menschen, die es bewohnen
.“

Was die Frage aufwerfe, welcher Sinn darin liege, die Größe einer Nation an der Anzahl Staatsbürger zu bemessen.

Die Frankfurter Rundschau titelte: „Ein Clown macht Ernst“, und Henryk M. Broder berichtete live aus Reykjavik „Reykjavik erwartet den Staats-Streich“.

Der „Clown“ Jón hat das Rathaus von Reykjavik an seinen Nachfolger übergeben, der „Staatsstreich“ ist zu Ende. Jedoch: War er ein Clown? War es ein Staatsstreich?

Übersetzung: B. Pangerl

ukDoes Bielefeld exist?

frBielefeld n’existe pas ?