Die Trolle Stjórnvald und Húskarl verfolgten an Sylvester auf ihrem Stein liegend mit großer Freude den Tanz der Elfen am Firmament.
Húskarl : „Ich las davon, dass das Zusammengesetzte bis zu dem Einfachen hin – was sozusagen die kleinsten Teile des Ganzen sind – getrennt werden müsse, daher auch bei dem Staate untersucht werden müsse, woraus er bestehe und würde dann an seinen Bestandteilen besser ersehen, wie die Staaten sich voneinander unterscheiden und ob es angehe, über jede der genannten Gemeinschaften etwas wissenschaftlich festzustellen.“
Stjórnvald : „Ich sehe, auch dieses Jahr hat die Bókaflóð bei dir ihre Spuren hinterlassen.“
Húskarl : „Ist dir auf deinen Reisen nicht aufgefallen, dass es zahlreiche Gemeinsamkeiten bei den Nationen da draußen in der Welt gebe und dies unabhängig davon, ob sich diese Demokratien, Königtümer, oder Diktaturen nennen und auch völlig unabhängig davon, ob sie von sich behaupten, sie wären atheistisch, säkular oder religiös?“
Stjórnvald : „Hattest du nicht auch den Satz entdeckt, dass die Tyrannen schlechte Leute lieben würden, denn wenn man ihnen schmeichle, freue es sie, denn der Tyrann strebe nach dreierlei, einmal nach einer kleinmütigen Gesinnung bei seinen Untertanen, dann dass niemand dem Anderen traue, denn die Tyrannis könne ja nicht eher gestürzt werden, als bis einige einander vertrauten?“
Húskarl : „Hatte ich gelesen. Deshalb verfolge die Tyrannis auch die rechtlichen Leute, weil diese ihrer Herrschaft Schaden brächten. Ich las auch, dass das Gleiche und Gerechte immer nur von den Schwächeren verlangt werde, während Gewalthaber sich nicht darum kümmerten.“
Stjórnvald : „Nun, dann hast du sicherlich auch gelesen, dass der Staat zu den zusammengesetzten Dingen gehöre und daher aus vielen Teilen bestehe. Daher wäre zunächst die Untersuchung auf die Bürger zu richten, denn der Staat ist ja eine Menge von Bürgern.“
Húskarl : „Dann dürfte die Einteilung aber nicht mehr stimmen.“
Stjórnvald : „Welche Einteilung?“
Húskarl : „Unterschied er nicht nach Königtum, der Aristokratie, dem Freistaat und der drei Ausartungen derselben, also der Tyrannis als Ausartung des Königtums, der Oligarchie als Ausartung der Aristokratie und der Demokratie als Ausartung des Freistaates?
Stjórnvald : „Nun, aus diesem Grund wurde auch 500 Jahre später diese Einteilung um die Ochlokratie ergänzt.“
Húskarl : „Allerdings hatte er es bereits vorausgesehen. Führte er nicht aus, dass die meisten die despotische Herrschaft für die stattliche hielten und was sie für sich selbst nicht für gut und zuträglich hielten, dessen schämten sie sich nicht gegen Andere zu üben? Bei sich zu Hause mögen sie vielleicht nach einer gerechten Herrschaft streben, Anderen gegenüber kümmere sie das Gerechte nicht. Daher hatte die Einrichtung des Scherbengerichts gegen anerkannte Überlegenheiten eine staatliche Berechtigung.“
Stjórnvald : „Dann sind wir hier ja bestens aufgehoben. Der Staatspräsident steht im Supermarkt wie jeder andere vor der Kasse in der Warteschlange, fährt morgens seine Tochter mit dem Fahrrad zur Schule, kann bei einer Fußball-Europameisterschaft dankend die VIP-Lounge ablehnen, sich zur Fankurve seiner Staatsbürger gesellen und in der Menge wie ein Fisch im Fischschwarm schwimmen.“
Húskarl : „Vergiss nicht, dass es nicht in allen Ländern die Bücherflut gibt. Ich hörte davon, dass hier die Schüler einer Schule jede Woche ein anderes Buch zu lesen haben, welches dann anschließend im Unterricht gemeinsam erörtert werde. Ein Direktor einer Schule eines anderen Landes, welcher mit dieser Schule in den Westfjorden über ein Schüleraustauschprogramm verbunden war, führte beredte Klage, dass er schon froh wäre, wenn er in seiner Schule wenigstens zwei Bücher im Jahr besprechen könne. Ist es nicht die Sprache, welche das Nützliche und Schädliche sowie das Gerechte und Ungerechte offenbare?“
Stjórnvald : „Der Unterschied liegt wohl darin, dass hier vom Staatsvolk auch die Dichter mehr geachtet werden als Politiker oder sonstige prominente Personen.“
Húskarl : „Verhält es sich dann nicht so, dass es nicht die Menge der Bürger ist, welche die Größe eines Staates bestimme, sondern von welcher Beschaffenheit diese seien?“
Stjórnvald : „So ist zu lesen. Zudem beurteilen in anderen Staaten die Menschen die Größe eines Staates nach der Zahl seiner Einwohner, statt auf die Kraft zu sehen. Ist doch ein großer Staat nicht dasselbe wie ein volkreicher Staat. Das Übrige wäre dann Sache der Erziehung, denn der Mensch lerne teils durch Gewöhnung, teils durch Hören.“
Húskarl : „So ist es. Daher wurde seit der Landnahme hier großer Wert darauf gelegt, dass die Sprache nicht verwässert werde durch Lehnwörter oder Worthülsen, welche vorgeben etwas zu sein, was sie bei näherer Betrachtung dessen Inhalts gar nicht sind.“
Stjórnvald : „Was dazu führte, dass mit den Leuten hier nicht gut Kirschen essen ist. Die Bankster, welche damals den Staatsbankrott herbeiführten, waren vernünftig genug, schleunigst das Land zu verlassen und nicht mehr zurückzukehren. Erinnerst du dich noch an jene Toilette, bei der die Pissoirs mit den Konterfeis dieser Bankster ausgekleidet wurden, damit jeder diese sofort erkennen könne, sobald sie es wagen sollten, isländisches Territorium zu betreten?“
Húskarl : „Oder dieser ohrenbetörende rhythmische Lärm, der von Austurvöllur bis hinauf zur Hallgrímmskirkja zu hören war und dies nur aus dem Grund heraus, weil ein Politiker vor der Wahl versprach, dass er das Staatsvolk befragen werde, ob die Verhandlungen mit der EU eingestellt werden sollen oder nicht …“
Stjórnvald : „… und dann das Staatsvolk nach der Wahl nicht befragte, sondern einfach die Verhandlungen eigenmächtig einstellte, mit der Begründung, dass das Ergebnis der Befragung ja ohnehin eindeutig gewesen wäre, da die Mehrheit der Ísländer bereits vor der Wahl gegen den Beitritt zur EU gewesen war, wie die Meinungsumfragen belegt hätten …“
Húskarl : „… was ja auch bereits vor der Wahl bekannt gewesen, so dass sich den Wählern die Frage aufdrängte, wieso er dann dennoch eine Volksbefragung vor der Wahl versprochen habe, wissend, dass er dieses Versprechen nach der Wahl nicht einhalten werde.“
Stjórnvald : „Nun, mit den Panamapapieren hatte er den Bogen ja dann endgültig überspannt. Vermutlich ist ihm völlig entgangen, dass die Vorfahren damals das Land besiedelten, weil sie sich nicht einem König unterwerfen wollten.“
Húskarl : „Womit zwar wieder einmal bestätigt, dass jene welche sich im Übermaß von Glücksgütern befinden, weder den Willen noch das Verständnis für Gehorchen hätten, ihnen dieser Mangel bereits von Hause aus und von Kindheit ab anhänge und sich wegen des Luxus nicht einmal in der Schule sich an das Gehorchen gewöhnen mussten …“
Stjórnvald : „ … wohingegen die weitere Aussage nicht zutraf, dass jene, welche an all diesen Gütern großen Mangel litten, zu unterwürfig werden würden.“
Húskarl : „Es ist an der Zeit : Gleðilegt nýtt ár, Stjórnvald! Wäre dies nicht ein Grund, den Tanz der Elfen mit einem Lied zu begleiten?“
Stjórnvald : „Gleðilegt nýtt ár, Húskarl!“
Die Trolle Stjórnvald und Húskarl standen auf und sangen Hand in Hand den Elfen ein Lied:
(64) Ríki sitt skyli ráðsnotra hver
í hofi hafa.
Þá hann það finnur
er með fræknum kemur
að engi er einna hvatastur. 1)
1) „Hávámál og Völuspa“, Gísli Sigurðsson, Svart á Hvítu, Reykjavik 1986
(64) Der Befugnis
in Maßen führt durch,
wer guten Rat hütet.
Der wird einen finden
der tapferer kommt;
keiner ist allein lebendig.