Ónytjungur: „Siehst Du dort diesen SUV, der gerade derart stümperhaft in die Furt einfährt, dass ihn die Leute von ICE-SAR wieder herausziehen werden müssen? Was würdest du mir antworten, wenn ich dir sage, der Motor sei der Fahrer, und der Fahrer nur ein Trugbild deiner Phantasie?“
Tilvera: „Dass du, nachdem du so alt geworden bist, wohl nicht mehr alle Tassen im Schrank hast, oder gestern Abend bei dem Live-Konzert im Enski Barinn etwas zu oft die Nase in die Gläser der Gäste gesteckt haben musst, die mit Guinness gefüllt. Sonst würdest du dich noch daran erinnern, dass der Motor nur das Werkzeug ist, dessen sich der Fahrer bedient, der Fahrer hingegen nur dies tun kann, was ihm der Motor erlaubt. Oder hast du schon einen Motor gesehen, der von sich aus fährt, oder einen Autofahrer, der mit seinem Auto taucht oder fliegt?“
Ónytjungur: „Nur dort, wo der Fahrer in der Kurve zu schnell unterwegs, oder der Wasserstand des Flusses zu hoch. Das war dann in aller Regel auch das Ende einer solchen spezifischen Fahrgemeinschaft. Nehme ich nun das Auto als Referenzgegenstand, so bewegen sich beide, wie du mir wohl eingestehen wirst, sowohl der Fahrer, als auch der Motor. Auch scheinst du mir vertraut zu sein mit dem Prinzip der Erklärungsebene.“
Tilvera: „Kann es sein, dass du gestern Abend deine Nase auch noch in eine Flasche Svarti dauðigesteckt hast?“
Ónytjungur: „Keineswegs. Zumindest erinnere ich mich nicht mehr daran. Können wir beide uns darauf einigen, dass es sowohl das Teil wie auch das Ganze gibt?“
Tilvera: „Es waren wohl auch noch härtere Sachen dabei, wie käme sonst eine solche dumme Frage zustande. Jedes Kind da unten in der Dorfschule weiß, dass Teil und Ganzes sich einander bedingen.“
Ónytjungur: „Schön. Wie steht es mit den Begriffen Ursache und Eigenschaft? Bezogen sowohl auf das Auto dort als Ganzes, wie auch auf dessen Teile, also dem Fahrer und dem Motor.“
Tilvera: „Da werde ich wohl nicht darum herumkommen, das Teil vom Ganzen getrennt betrachten zu müssen, wie auch das Ganze getrennt von dessen Teilen.“
Ónytjungur: „Wie kommst du auf eine derart seltsame Idee, solch ein Vorgehen zu wählen?“
Tilvera: „Da das Ergebnis, so es ein logisches sein solle, und kein ideologisches, einzig und allein davon abhängt, was ich betrachte, also das Ganze, oder das Teil. Betrachte ich das Ganze, so ist der Fahrer eine Eigenschaft des Autos, welche dem Auto erst ermöglicht, sich zu bewegen, betrachte ich das Teil, so ist der Fahrer jedoch die Ursache, die dazu führt, dass sich das Auto bewegt. Was ist nun der Fahrer, Eigenschaft oder Ursache?“
Ónytjungur: „Ich sehe, du bist mit dem Prinzip der Erklärungsebenen durchaus vertraut, wie auch mit der damit vorhandenen Logik. Allerdings wirst du wohl einräumen, dass da etwas widersprüchlich sein muss, denn es ist ein Unding, dass ein und dasselbe sowohl Eigenschaft als auch Ursache sein kann.“
Tilvera: „Das hängt davon ab, was du unter dem Wort Wissen verstehst, und was nicht.“
Ónytjungur: „Stecktest du deine Nase gestern Abend auch in die besagten Gläser?“
Tilvera: „Keineswegs. Denn du kannst die Wirklichkeit als Wissen bezeichnen, also jenes, was ist. Du kannst aber auch die Wahrnehmung als Wissen bezeichnen, also jenes, was wird. Alles nur eine Frage der Terminologie. Und der angewandten Methode.“
Ónytjungur: „Kann es sein, dass bei dir gestern Abend zufällig auch eine Flasche Svarti dauði deinen Weg kreuzte?“
Tilvera: „Weil ich empirisch und naturwissenschaftlich vorgehe, und nicht idealistisch? Muss ich bei dir nun erst Platoniker werden, oder Neuplatoniker, fahrender Scholast, oder gar Philosoph?“
Ónytjungur: „Nun wirst du aber unvernünftig.“
Tilvera: „Bleib mir mit dem Wort Vernunft vom Leib. Es gibt wohl wenig Wörter, die mit einem solchen Umfang sich widersprechender oder undeutlicher Beschreibungen daherkommen. Ist es nicht seltsam, dass je undeutlicher eine Beschreibung, desto umfangreicher deren Gebrauch?“
Ónytjungur: „Nun, es dient der Erarbeitung dessen, was mit dem Wort gemeint, und was nicht.“
Tilvera: „Wohl eher zum Zwecke, anderen vorhandene Unvernunft zu unterstellen. Oder willst du etwa behaupten, es wäre Ausdruck von Vernunft gewesen, als Menschen damals im Land der Biodeutschen dennoch einen Mitbürger jüdischen Glaubens heirateten, oder bei ihm einkauften, ihn gar verstecken? Es war nicht die Vernunft, die solche zu solchem Tun veranlasste, auch nicht die Moral, und schon gar nicht ein Gesetz, erst recht nicht eine Erziehung oder eine Ideologie.“
Ónytjungur: „Sondern?“
Tilvera: „Deren Selbst, über welches seit jeher jedes konkrete Individuum verfügte bis zu dessen Tod, in diesem Augenblick verfügt, so es denn lebe, und über ein solches auch in Zukunft jedes konkrete Individuum verfügen wird. Und kein einziges davon ist einem anderen gleich.“
Ónytjungur: „Soso. Und was ist dieses Selbst?“
Tilvera: „Das kann nur der jeweilige Eigentümer selbst herausfinden.“
Ónytjungur: „Und worauf begründet sich dann deine Behauptung, es gäbe so etwas?“
Tilvera: „Verhält es sich bei dir nicht so, dass es dein Selbst ist, mit dem du dein Ich identifizierst? Oder ist es etwa das eines Anderen? Und verhält es sich bei dir nicht so, dass du zwischen deinem Körper und deinem Ich unterscheidest? Und hat dieses dein Selbst eine Länge, eine Breite, eine Tiefe? Und falls nicht, hat es dann nicht andere Eigenschaften als dein Körper?“
Ónytjungur: „Bei dir waren wohl gestern Abend auch noch härtere Sachen dabei, als es ein Svarti dauði sein kann. Zu deiner Beruhigung, bei mir verhält es sich so, dass mein Selbst bei meinen Nachforschungen immer dasselbe war, sooft ich auch danach forschte, es folglich bereits mein ganzes Leben lang unverändert bis jetzt existierte. Oder glaubst du etwa, ich wäre durch dein Geschwätz du geworden?“
Tilvera: „Das fehlte mir noch. Als wäre mein Unglück nicht bereits ohne dich schon groß genug. Könnte es demnach sein, dass auch das Gedachte nicht gedacht sein kann wie auch das Allgemeine nicht allgemein sein kann, ohne es zuerst vom Raum oder aus materiellen Eigenschaften zu abstrahieren? „
Ónytjungur: „Die Eigenschaften physikalischer Phänomene, also räumliche und zeitliche, sind bestimmten physikalischen Gesetzen untergeordnet, das kann dir jeder Physiker dort unten in der Dorfschule erklären, solltest du dahingehend noch Nachhilfe nötig haben. Und das bei deinem Alter!“
Tilvera: „Wie kommt es dann, dass du dir einbildest, du hättest ein Selbst, das ja – da du mir diesbezüglich nicht widersprachst – weder eine Länge, eine Breite, noch eine Tiefe hat?“
Ónytjungur: „Was hältst du davon, wenn wir beide uns heute Abend ausnahmsweise mal im Cafe Hresso treffen, und ein alkoholfreies Malt zischen?“
Tilvera: „Du nennst dich Taugenichts, wirst auch so gerufen. Wie kommt es?“
Ónytjungur: „Da musst du jene fragen, die mich so nennen, und jenen, der mir diesen Namen gab.“
Tilvera: „Und aus welchem Grund nennst du dich selbst so?“
Ónytjungur: „Weil ich weiß, dass ich das Ziel immer noch nicht erreicht habe, das ich hätte erreichen können.“
Tilvera: „Und was ist dieses Ziel?“
Ónytjungur: „Das ist der zweite Grund. Ich kenne es nicht. Wozu fragst du?“
Tilvera: „Weil ich nicht verstehe, wozu sich Menschen nicht mit jenem beschäftigen, was geschrieben steht, Satz für Satz, Beschreibung nach Beschreibung, sondern sich nur interessieren, wer geschrieben habe.“
Ónytjungur: „Du nennst dich Sein, wirst auch so gerufen. Wie kommt es?“
Tilvera: „Weil es die einzige Wahrheit ist, die ich kenne, und diese heißt ich bin. Jeder andere Name wäre …“
Ónytjungur: „… kein identifizierendes Merkmal?“
Tilvera: „Wie auch. Wäre ein Name ein identifizierendes Merkmal, so bräuchten die Menschen hier nicht das zweibeinige Lexikon der isländischen Musikgeschichte, Jóhannes, im 12 Tónar im Skólavörðustíg aufsuchen, und ihm die Personen Rúnar und Ragnar in allen Einzelheiten zu beschreiben, um diese nach dreißig Jahren unter der unüberschaubaren Anzahl der Rúnars und Ragnars zu finden. Selbst Jóhannes kann sie nicht anhand derer Namen identifizieren, sondern erst über deren Musik, den Titeln ihrer Lieder, und ihrer Kompositionen.“
Ónytjungur: „So ist es. Und aus welchem Grund redest du nun über Namen, und nicht über Inhalte?“
Tilvera: „Ein Kerl, im Wahn, er sei ein investigativer Journalist, hat sich der Mühe unterzogen, dem Pseudonym einer Autorin nachzuspüren, um selbst endlich einmal berühmt zu werden.“
Ónytjungur: „Offensichtlich ist er zu sinnvoller Tätigkeit völlig untauglich, und hatte daher keine andere Wahl. Was kein Problem sein muss, denn es wird sich niemand dafür interessieren.“
Tilvera: „Dort kümmern sich die Leser mehr darum, wer da spricht, als darum, was einer spricht, und wie einer spricht.“
Ónytjungur: „Da haben sich wohl Ignorant und Dummköpfe getroffen, und sich gegenseitig bestätigt. Was kein Wunder ist, denn eine deren Lieblingsbeschäftigungen war, so hatte ich bei meinen Reisen festzustellen, hinter einem Vorhang stehend andere Leute auszuspähen, um dann über das auf solche Art und Weise Erfahrene sich das Maul zerreißen zu können. Und sie finden dafür an allen Ecken und Enden bereitwilliges Gehör.““
Tilvera: „Sie sagen, sich selbst einen Namen zu geben, sei Ausdruck von Arroganz.“
Ónytjungur: „Sich selbst keinen Namen zu geben, obwohl ein Verlangen danach, ist Ausdruck unverständlicher Hilflosigkeit. Was spräche dagegen?“
Tilvera: „Die Mutmaßung anderer, da wolle einer nicht zu jenem stehen, was er schreibe, oder irgendein anderer Unfug, der solchen dann unterstellt werde.“
Ónytjungur: „Stünde ein solcher nicht zu jenem, was er schreibe, so schriebe er es doch auch nicht. Welche Vorstellungen treiben diese Leute um? Sie schließen doch damit nur unzulässig von sich auf andere, und haben nicht die geringste Ahnung, was einen dazu treibe, sich der qualvollen Mühe zu unterziehen, dem Zwang zu folgen, und Wort für Wort zu finden, Satz für Satz zu formen, und sich damit unweigerlich dem Gespött, oder der Ignoranz, oder der Lobhudelei anderer auszusetzen.“
Tilvera: „Sie sagen, die sicherste Methode, kein Interesse auf die eigene Person zu ziehen, sei gerade der Verzicht auf ein Pseudonym.“
Ónytjungur: „Die sicherste Methode, kein Interesse auf die eigene Person zu ziehen, so scheint mir, ist dort nur darüber erreichbar, etwas Brauchbares zu veröffentlichen.“
Tilvera: „Dichtung und Erzählkunst stehen dort nicht hoch im Kurs.“
Ónytjungur:„Dann stimmt folglich, was die Dichter von diesen zu erzählen wissen.“
Tilvera: „Als da wäre?“
Ónytjungur:„Dass diese nur an der Verbreitung und Veröffentlichung von Meinungen interessiert.“
Tilvera: „Und welche Worte fand der Dichter für eine exakte Beschreibung dessen, was da ist?“
„Konsumartikel Vergnügen
hurt mit der Bürgerlangeweile
Lude Reibach lacht sich eins
ins Fetischlein: gefressen wird,
was Konten schmiert – Gewohnheit
kühlt das letzte kleine Mütchen
unerwünschter Ausbruchsträume …
In stinkender Behaglichkeit verfaulen Phantasie und Geist, nur die Moral wird breit und feist in der Grabesstille der Zufriedenheit.
Tilvera: „Und was unterscheidet diese signifikant von Dichtern?“
Ónytjungur: „Hast du nicht „Die Hände buhlen um meine Gunst“ gelesen?
Tilvera: „Erinnerst du dich noch an jenen Mann, damals nach Weihnacht, der mit zwei prallvoll gefüllten Plastiktaschen in das Restaurant am BSÍ kam, sich einen Kaffee holte, und wir beide vermutet hatten, er ruhe sich vom Rummel im Supermarkt aus? Die Plastiktaschen waren jedoch prall gefüllt mit den neuesten Büchern, welche die Bókaflóðvor die Augen der Menschen trieb. Der Mann nahm Buch für Buch aus den zwei großen Plastiktaschen heraus, öffnete jedes Buch an jener Stelle, die mit einem Lesezeichen markiert, warf einen kurzen Blick auf den noch nicht gehobenen Schatz eines Gedichts oder einer Erzählung, und legte dann das Buch, an dieser Seite geöffnet, vor sich auf den großen Tisch, und wiederholte diesen Vorgang solange, bis der ganze Tisch von aufgeschlagenen Büchern mit einer Tischdecke voller Überraschungen bedeckt. Und dann las er, Stunde um Stunde, vergaß dabei nicht, sich Kaffee bei Bedarf nachzuschenken, da es gute Sitte und alter Brauch, dass stets dann, wenn einer eine Tasse Kaffee bezahle, er nachschenken dürfe, so ihm dies zusagt, und dafür nicht nochmal bezahlen müsse. Mir ergeht es im Augenblick wie jenem Mann, vor mir liegen auch noch einige unentdeckte Schätze. Kannst du das Gedicht daher für mich rezitieren?“
„Fleißig zieht die Rechte
Tintenbahnen über’s Blatt:
hüpft unterwürfig dienstbereit,
meinen Gedanken Form zu geben;
derweil die Linke ruht & katzenartig eingerollt den Augenblick erschnurrt, meinem Mund den Wein zu reichen.“
Tilvera: „Das ist es, warum die Bókaflóð hier alljährlich von allen sehnsüchtig erwartet wird. Sie schätzen die Kunst, Gedanken Formen geben zu können. Und dort?“
Ónytjungur: „Der dort durch Mehrheit bestimmte Zustand einer Gesellschaft lässt sich an jenem Geisteszustand messen, der durch tägliche Einschaltquoten dokumentiert.“
Tilvera: „Sie schätzen dort solche Geschichten, in welchen heuchlerische Zyniker erbärmlichen Charakteren eingebildete Naivlinge präsentieren, da zum Einen ein ungeheurer Bedarf danach vorhanden, und zum Anderen sonst die Rechte der Aufklärung auf freie Meinungsäußerung, auf Pressefreiheit, und auf bedarfsgerechte Grundversorgung verletzt.“
Ónytjungur: „Dann haben sie nichts anderes verdient.“
Tilvera: „Was haben sie verdient?“
Ónytjungur
„Die Gaffer bilden eine Gasse unter dem Hochseil, um bei meinem Aufschlag nicht von herumspritzendem Hirn bekleckert zu werden; stehen aber nahe genug, möglichst deutlich das
KLATSCH
zu hören – während ich, konzentriert balancierend, zufrieden errechne, dass ich mit einigem Schwung bei parabolischer Flugbahn weit genug käme, um wenigstens einige ihrer frisch geputzten Schuhe zu besudeln.“
Tilvera: „In der Tat. Erst das Werk ist ein identifizierendes Merkmal. Wozu waren dann die Leute so erpicht auf den Namen der Autorin?“
Ónytjungur: „Um endlich einen unbeschrifteten Stempel zu haben, auf dem jeder nach Gusto seine eigene Beschriftung über die Autorin anbringen kann, die mit einer exakten Beschreibung nicht das Geringste zu tun hat. Wer in Schubladen denkt, hat keine Ahnung vom Schrank. Sie nennen es Intelligenz. „
Tilvera: „Und? Hat Jóhannes auf Grundlage deiner Beschreibung Rúnar und Ragnar gefunden?“
Ónytjungur: „Ich bin es gewohnt, nur das Wesentliche zu beschreiben, den Inhalt. Es war ihm daher ein Leichtes.“
Die zitierten Gedichte: „Balanceakt“,Songs, Lyrik & Aphorismen, Werner Friebel Direktbestellung bei media4ways
Klerkur: „Es ist Menschenrecht, dass der Mensch Anspruch auf das Ornat anderer erhebe, also auf die Art und Weise, wie solche sich schmücken dürfen, und welche Art und Weise zu untersagen sei.“
Ónytjungur: „Das ist unübersehbar. Es war davon zu hören, dass das Management einer international agierenden Bank sogar eine E-Mail an ihre Mitarbeiter versandte, in welchem sie ihren Mitarbeitern erlaubte, ab 37 Grad im Schatten kurzärmliche Hemden tragen zu dürfen, und darauf hinwiesen, dass diese Temperatur noch nicht dazu berechtige, die Krawatte abzunehmen.“
Klerkur: „Der Unterdrückung der Frauen durch Männer ist ein Ende zu setzen.“
Ónytjungur: „Fürwahr, eine absolutistische Weltanschauung, und auch noch so widersprüchlich.“
Klerkur: „In der Tat.“
Ónytjungur: „Ich meinte Ihr Anliegen, und nicht jenes, was Sie vorschützen.“
Klerkur: „Wie? Begründen göttliche Gebote etwa keine absolutistische Weltanschauung?“
Ónytjungur: „Das Dumme ist, dass es gar keine derartigen göttlichen Gebote gibt, in keiner Religion der Welt. Eine solche Religion ist gerade erst im Werden, wie Ihre Worte mir im Augenblick eindeutig belegen. Neu jedoch ist für mich, dass Sie davon ausgehen, Gott zu sein. Hat die neue Religion einen Namen? New-Dresscode-Age vielleicht?“
Klerkur: „Ich trete für die Menschenrechte ein, für die Gleichstellung von Mann und Frau!“
Ónytjungur: „Ein höchst ehrenwertes Anliegen, fürwahr. Aber teilten Sie mir nicht gerade mit, Sie wollten der freien Entscheidung eines Individuums ein für allemal ein Ende setzen, da diese in Ihren Augen eine Relativierung sei?“
Ónytjungur: „Sie wollen mir erzählen, der Forderung nach Gleichstellung von Mann und Frau wäre Genüge damit getan, wenn sich die Menschen in der Öffentlichkeit an jene Regeln des Staates halten, die dieser festgelegt habe, während die Menschen im privaten Leben weitestgehend tun dürfen, was sie möchten? Wozu sollte dann Ihr neuer Gottesstaat notwendig sein? Denn wenn ich richtig informiert bin, ist dies doch längst Realität, und dies in allen Nationen der Welt.“
Klerkur: „Es ist ein Grundwert, im wahrsten Sinne des Wortes, und er ist so viel wert, dass er für die Gesellschaft nicht verhandelbar ist.“
Ónytjungur: „Nun, wenn eine Gesellschaft verlangt, dass einlogischer Widerspruch hinzunehmen und abzusegnen sei, darüber auch nicht verhandelt werden dürfe, dann begründen Sie nicht nur eine neueReligion, Sie begründeten darüber hinaus sogar auch noch eine neue Philosophie.“
Klerkur: „Wer sich nicht daran hält, und in der Öffentlichkeit mit verbotenem Ornat unterwegs ist, muss drastisch bestraft werden. Er kann ja das Land verlassen, wenn es ihm nicht passt.“
Ónytjungur: „In der Tat, eine neue Philosophie. Ich hoffe doch, die neuen Missionare dieser so genannten wissenschaftsbasierten Informationsgesellschaft berufen sich dabei nicht ausgerechnet auf eine so genannte abendländische Kultur.“
Klerkur: „Es ist abendländische Kultur!“
Ónytjungur: „Da ist mir aber etwas ganz anderes zu Ohren gekommen. Jener Information zufolge hat der Verkehr der Staaten untereinander naturgemäß eine Berührung und Mischung verschiedenartiger Lebensanschauungen zur Folge, die zu Streben nach Neuerung auf beiden Seiten führt. Und es würde in den Augen der übrigen Welt als ein starker Mangel an Bildung des Verstandes und Herzens erscheinen, wo sich der vielberufenen, verhassten Fremdenaustreibung schuldig gemacht werde, und einer Sinnesart gehuldigt werden will, die den Eindruck der Anmaßung und Unverträglichkeit macht.“
Klerkur: „Und Sie fallen auf solche Ansichten eines Trottels herein?“
Ónytjungur: „Wozu sollte ich nicht? Der, den Sie gerade Trottel genannt, hieß Platon.